Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu Ernst-Moritz Lipp: Es fehlen 6 Millionen Euro – „Wo sind die Millionen, Herr Stampa? Am 9. April gab es sie noch!“

Baden-Baden, 18.05.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht Hilferuf aus Baden-Baden an Kretschmann − «Festspielhaus kann Totalausfall seiner Einnahmen nicht durchstehen» − Ernst-Moritz Lipp im goodnews4-Interview: «Es fehlen 6 Millionen Euro».

Am 9. April 2020 gab der Festspielhausintendant Benedikt Stampa ein Interview im Badischen Tagblatt. Dazu ein Foto, leicht fläzend auf einem karierten Sofa, wohl passend dazu die karierten Socken, Jeans, ein gemustertes Hemd, natürlich ohne Krawatte, dazu ein Sakko – sein Outfit zur Darstellung des Festspielhauses. «Wir hatten einen Wahnsinnstart in die Saison … wirklich gut verkauft, mit einer wirklich tollen Präsenz der Künstler. Das ist für uns ein Schlag mitten in einer sehr guten Phase. Trotzdem ist die Stimmung den Umständen entsprechend gut. Die ganze Festspielhausfamilie, die Mitarbeiter, Stiftungsvorstand, Stifter, Freundeskreis hält fest zusammen.»

Da stellt sich doch die Frage: Prof. Dr. Lipp vom Stiftungsvorstand hat sich geäußert. Hilft er bei der Suche nach den Millionen? Von den anderen Stiftern hat sich niemand zu Wort gemeldet. Sie haben schließlich schon mehr als eine Million gestiftet. Wollen sie noch einmal eine milde Gabe spendieren? Dann wohl in das Stiftungsvermögen und nicht in die laufende Kasse. Der Freundeskreis und sein Vorsitzender Dr. Wolfgang Schäuble verharren in lautem Schweigen. Warum?

Wo sollen die geforderten Spenden verbucht werden? Dazu gibt es keine Angabe. Die Stuttgarter Bühnen gehen beispielhaft vor. Sie zahlen die gekauften Karten aus, freuen sich statt Auszahlung über Spenden an die John-Cranko-Stiftung zur Förderung junger Tänzer*innen. Dann spendet der Besucher gerne. Stellt das Festspielhaus für die einbehaltenen Ticketkosten auch eine Spendenquittung aus? Wie lässt sich der Kartenverkauf für die nächste Saison begründen, wenn der Beginn in Frage steht, man etwas zum Kauf anbietet, was nicht existieren wird?

Dazu Stampa am 15. Mai auf einer postalischen Grußkarte: «Auch in der Krise halten Sie zur Kultur – und helfen uns mit dem Umtausch Ihrer Eintrittskarten ganz direkt. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken. … Auf diese Weise sichern Sie das Bestehen des Festspielhauses und geben ein Bekenntnis zu unserem musikalischen Erbe.» Das sind ungewohnte Töne. Sollten doch die Osterfestspiele einen «Fidelio» bringen, den die Regisseurin wie Ibsen «lesen» wollte. Nun ja, sie war Debütantin in der Opernregie. Zu welchem musikalischen Erbe sollte der Opernbesucher sich bekennen?

In der vergangenen Woche veröffentlichte das Marktforschungsunternehmen McKinsey eine repräsentative Umfrage zum Konsumverhalten der Verbraucher aufgrund der Corona-Krise. Ein Drittel der Befragten will auch nach dem Abflauen der Krise seltener zu Konzerten, Theater oder ins Kino gehen – 26 Prozent überhaupt nicht. Das ist ernüchternd. Wie stellt sich das Festspielhaus darauf ein? Wie viele «Altkunden» bleiben erhalten?

Vor allem jene, die zur «Zwangsspende» genötigt werden. Sie fragen sich «wofür»: das Gehalt des Intendanten, die Mitarbeitergehälter und vieles mehr, bis am Ende dieser Kette die Gagen für engagierte freie Künstler stehen? Sie bekommen bei abgesagten Vorstellungen kein Ausfallhonorar. Das alles wäre abgemildert, wenn das Festspielhaus eine (übliche) Ausfallversicherung gehabt hätte. Ohne eine solche zu arbeiten, ist wie Russisches Roulette. Ist deswegen Tschaikowskys Oper «Pique Dame» geplant?

Wofür soll der musikalische Bürger nun spenden, um das «musikalische Erbe» (Stampa) zu bewahren? Das wüsste er gerne jetzt, bevor er auf eine Kartenerstattung verzichtet und sogar neue Karten für die nächste Saison bestellt. So (!) würde er nicht einmal einen Gebrauchtwagen ohne Garantie kaufen. Das wird sich der Festspielhausbesucher doch fragen dürfen – oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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