Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu Ernst-Moritz Lipp im goodnews4-Interview: Es fehlen 6 Millionen Euro – „Was hat Stampa in petto? Brutto oder Netto?“

Baden-Baden, 15.05.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Kurt Krause Stellung zu dem goodnews4-Bericht Hilferuf aus Baden-Baden an Kretschmann − «Festspielhaus kann Totalausfall seiner Einnahmen nicht durchstehen» − Ernst-Moritz Lipp im goodnews4-Interview: «Es fehlen 6 Millionen Euro».

Prof. Dr. Ernst-Moritz Lipp war einst Generalsekretär des «Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung», später Vorstandsmitglied der Dresdner Bank, heute geschäftsführender Partner der Odewald & Compagnie, einer führenden deutschen Beteiligungsgesellschaft und Mitglied von Aufsichtsräten und Beiräten. All dies und seine Vorlesungen als Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main weisen ihn als Finanzexperten, aber sicher nicht als «Wirtschaftsweisen»

Ernst-Moritz Lipp gehört zusammen mit seiner Frau Angelika Lipp-Krüll zu den Stiftern und ist Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung Festspielhaus Baden-Baden. Leider argumentiert er wie Benedikt Stampa, Intendant und künstlerischer Leiter des Festspielhauses: «Es fehlen 6 Millionen Euro.» Für beide scheinen die fehlenden Einnahmen von Mitte März 2020 bis zur Sommerpause einzige Ursache der finanzpolitischen Krise zu sein. Bei dem «künstlerischen» Leiter denkt man vielleicht noch «hoppla», bei einem Finanzfachmann wie Prof. Dr. Lipp, «das kann doch wohl nicht wahr sein»! Ein Horrorszenario, wenn bis Ende 2020 «einmalig 12 Mill. Euro fehlen». Sollte das Grundlage des Bittschreibens an Landesregierung und Ministerpräsident Kretschmann sein? Dann wäre es ein Wunder, wenn dem Antrag auf einen Schutzschirm stattgegeben würde.

Prof. Dr. Lipp bezieht sich in seinen Ausführungen auf den Finanzplan des Festspielhauses für 2020. Annahme: Der Finanzplan rechnet mit Gesamtausgaben von 24 Mill. Euro für Künstler, Stammpersonal (ca. 80) und Mitarbeiter auf 450 Euro-Basis (ca. 300). Das Budget wird zu zwei Dritteln durch Kartenverkauf erwirtschaftet, das beläuft sich auf 16 Mill. Euro. Weitere 8 Mill. Euro werden von Paten, Förderern, Freundeskreis und Sponsoren abgedeckt. Zu dumm, dass wegen Corona auch das AIDA-Restaurant geschlossen ist, denn es trug immer mehr als 10 Prozent zur Kostendeckung bei.

Mit den Mitarbeitern auf 450 Euro-Basis ist das Festspielhaus fein raus. Diese werden zurzeit nicht beschäftigt. Dumm für die Betroffenen ist, dass Arbeitgeber Kurzarbeitergeld nur für die Arbeitnehmer beantragen, die auch versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind. Geringfügig Beschäftigte sind versicherungsfrei. Sie bekommen kein Kurzarbeitergeld. Die ca. 80 Festangestellten erhalten Kurzarbeitergeld mit der Folge, dass dem Festspielhaus hier keine laufenden Kosten entstehen. Wie die Mitarbeiter bei reduziertem Einkommen die Mieten in Baden-Baden bestreiten, ist dem Festspielhaus sicher egal.

Keine Kurzarbeit gibt es für die Geschäftsleitung, den künstlerischen und die kaufmännische Leiterin sowie den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Auch wenn «außer Konzert absagen momentan keine Planung erfolgt», Hauptsache ist, dass deren Gehälter weiterbezahlt werden. Das Festspielhaus ist seinerseits durch Corona auch Verträge ledig. Freie Künstler und private Orchester, wie z.B. das Freiburger Barock-Orchester gucken in die Röhre, und von einem Schutzschirm für sie ist auch nichts bekannt.

Kulturveranstaltungen in Deutschland sind immer defizitär und benötigen Zuwendungen von privater oder öffentlicher Hand. Kein Besucher wäre bereit, den doppelten oder gar bis zum neunfachen Preis für seine Karte zu bezahlen. Manche fänden es gut, wenn Kultur wie Schulen zum Null-Tarif geliefert würde, aber so weit sind wir noch nicht. Auch die im Festspielhaus gebotene Kultur wird von privaten Gönnern subventioniert. Wenn nun kein Konzert, keine Oper, keine Festspiele und auch kein Entertainment stattfinden kann, dann gibt es auch kein Defizit mehr. Denn dann sollten die Beiträge von Förderern und dem Freundeskreis ausreichend sein, um die Kosten der Verwaltung abzudecken.

Kurz: Die fehlenden 8, bzw. 12 Mill. Euro sind eben KEIN Verlust, sondern beziffern nur einen Rückgang beim Jahresumsatz. Die Kassen des Festspielhauses sind durch die nicht stattgefundenen Osterfestspiele prall gefüllt und werden erfreulich durch den Vorverkauf für die nächste Saison weiter gefüttert. Höchste Eisenbahn, dass den mehr als 8.000 Besuchern der nicht statt gefundenen Osterfestspiele die Eintrittspreise erstattet werden. Oder sollten die Einnahmen für Finanzierungslücken des Vorjahres verwendet worden sein? Dann wäre die Insolvenz mit Händen zu greifen! Muss man dann sogar von Konkursverschleppung ausgehen?

Fährt diese Intendanz das Festspielhaus gegen die Wand? Wiederholt sich hier Geschichte? Wer wird der Retter des Festspielhauses sein?

Kurt Krause
Baden-Baden


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