Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu „Interview von Christian Frietsch mit Franz Alt – Teil 7 ‚Gott‘“ – „Einige Ansichten kann ich allerdings nicht ganz nachvollziehen“
Baden-Baden, 02.01.2024, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung zu dem goodnews4-Bericht goodnews4-Interview-Serie von Christian Frietsch mit Franz Alt – Teil 7 «Gott» – «Da haben meine Kollegen mich beschimpft und gesagt: ‚Bleib doch bei den Fakten!‘».
Sehr geehrter Herr Franz Alt und Herr Christian Frietsch,
vielen Dank für die von mir immer mit Spannung verfolgte Interviewserie zwischen Ihnen beiden. Selten liest man in Zeitungen solch interessante und geistig anspruchsvolle Gedanken und Reflektionen in offener Diskussionskultur. Allein diese Interviewserie lohnt schon das Abo von goodnews!
Einige Ansichten von Herrn Alt kann ich allerdings in ihrer Logik nicht ganz nachvollziehen: Herr Alt identifiziert Gott als die «Erstursache aller Ursachen», das «Ur-Faktum aller Fakten», die Natur und deren Gesetze sowie die menschliche Seele, und vertritt damit quasi das Weltbild des Pantheismus, welcher ja Gott und die Welt quasi in eins setzt. Später im Interview betont Herr Alt dann aber, dass Jesus Christus und dessen Gottesbild eines «gütigen Vaters» ihn von Jugend an bis heute geprägt hätten.
Für mich sind diese beiden Aussagen von Herrn Alt widersprüchlich: Der Gott des Alten und Neuen Testaments hat sich eben nicht nur darauf beschränkt «Erstursache aller Ursachen» oder «Naturgesetz» sein zu wollen, sondern immer wieder (Vernichtung von Sodoma und Gomorrha, Sintflut, usw.) aktiv in den Lauf der Geschichte eingegriffen. Dabei hat er wie – bei der Teilung des Meeres oder auch Jesus bei seiner Wundertätigkeit – auch öfters die Naturgesetze (mit denen er nach Herrn Alt ja fast identisch sein soll) außer Kraft gesetzt. Jesus Christus hatte ein sehr personifiziertes Gottesverständnis, wenn er Gott als «Vater» anredete und mit ihm intime Gespräche führte sowie zu diesem betete. Warum sollte man denn die Natur oder die Naturgesetze als «Vater» ansprechen und zu ihnen beten? Jesus, die ihm gedanklich zugehörige Gruppe des Essener und die Frühchristen hatten nach Stand der theologischen Forschung dagegen ganz reale Vorstellungen von einem personifizierten Gott und auch Satan und glaubten an die Apokalypse und ein erneutes Eingreifen Gottes am Ende der Tage. Auch kann ich nirgendwo in den Evangelien Aussagen von Jesus finden, in denen er explizit von einer Würde der Natur spricht oder zum Respekt vor und Schutz von Pflanzen und Tieren aufruft.
Es ist für mich auch unverständlich, wie Herr Alt aus einem Gott, der nur «Erstursache» oder «Naturgesetze» ist die von ihm ja auch vertretenen christlichen ethischen Forderungen von Frieden und Nächstenliebe ableitet. Die Natur und deren Gesetze kennen ja weder Moral noch Frieden und Nächstenliebe, stellen auch keine ethischen Forderungen an den Menschen und die Natur hat auch nichts von einem «gütigen Vater» an sich. Ein Gott, der nur «Erstursache» und mit der Natur identisch ist, würde wohl kaum ethische Forderungen an uns stellen oder uns die Zehn Gebote geben. Ich halte es da eher mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer, der das Problem der pantheistischen Gottesvorstellungen mit folgenden Worten treffend auf den Punkt gebracht hat: «Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott sondern bloß ein missbrauchtes Wort.» (Parerga und Paralipomena, Band 1, S. 13)
Boris Fernbacher
Baden-Baden
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