Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu „Stadträte Liesen und Niedermeyer: Bevormundende und rechthaberische Rezepte des letzten Jahrhunderts haben abgewirtschaftet“ – Nur wer die Sehnsucht kennt …!

Baden-Baden, 19.04.2021, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht Anspruchsvolles Schreiben an Baubürgermeister Alexander Uhlig zur Fieser-Brücke − Stadträte Liesen und Niedermeyer: «Bevormundende und rechthaberische Rezepte des letzten Jahrhunderts haben abgewirtschaftet».

«Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide», so Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre (4, 12). Der «Sehnsuchtsort» Baden-Baden ist zurzeit in Mode. Viele gehen mit ihm hausieren – der Intendant des Festspielhauses vorneweg. Was sagt uns Grimm, Deutsches Wörterbuch dazu? Sehnsucht ist schmachtendes Verlangen, weiter: Krankheit des schmerzlichen Verlangens.

Baden-Baden – eine Krankheit? Sicher eine städtebauliche Krankheit, die epidemisch ist. Gibt es ein solches Virus? Ist es mutiert und bringt laufend neue Varianten hervor? Das jetzt den Gemeinderat befallene heißt Fieser Brücke und so neue Visionen.

Befragen wir noch einmal den Grimm. In der Sprache der Mystiker bedeutet «Vision» eine übernatürliche Erscheinung künftiger und verborgener Dinge. Man fühlt sich an die Wahrsagerin auf dem Rummelplatz erinnert, die Zukunft aus der Glaskugel liest. Und das soll der städtebauliche Plan für Baden-Baden sein?

Aber gemach – in diesen (medizinischen) Dingen gibt es Spezialisten, die man zu den Nebenwirkungen fragen kann, wie z.B. einen Professor Dr. med. Dessen Alter spielt keine Rolle – im Gegenteil: das 8. Lebensjahrzehnt scheint das fruchtbarste zu sein – und «wenn es köstlich war, so ist’s Mühe und Arbeit gewesen» (Psalm 90, 10). Zu zweit argumentiert es sich leichter. Da kann der Einzelne für seine Ideen nicht «haftbar» gemacht werden. Dazu kommt noch der Respekt heischende akademische Titel. Modern ist zurzeit die «Begegnungsfläche», auf Neudeutsch «shared space», die im richtigen historischen Kontext stehen soll. Also spielt sich das Leben der Bürger auf der Straße ab? Die muss er mit Bussen, PKWs, Fahrrädern u.a. teilen. Begegnen möchte man denen als Fußgänger nicht. Die Vorschläge des FBB sind daher wirr und keine praktikable Grundlage. Die der schmollenden SPD und der grünen Politiker schon gar nicht!

Die des Bauausschusses aber ebenfalls. Nicht einmal die CDU findet eine einheitliche Meinung zur Nutzung der Fieser Brücke. Die Vision der Stadtverwaltung: «Baden-Baden ist … ein Ort, an dem die unterschiedlichsten Menschen (global und verstärkt regional) im realen Raum sich begegnen, interagieren und dabei das vielfältige Angebot von Handel, Gastronomie … mit einem besonderen Flair als besonderes Erlebnis nutzen können.» Ist das nur schlechtes Deutsch und Soziologen-Gewäsch? Baden-Baden kann in die Geschichte zur Teilung einer Stadt eingehen. In Berlin baute man einst die Mauer – Baden-Baden schafft das Unikum: die Brücke über das Bächlein wird zur Grenze.

Was bedeutet das für das städtische Festspielhaus? Potentielle Gäste müssten zu Fuß gehen, wenn «ihr» Hotel hinter der Demarkationslinie liegt. Dann sollen sie noch Lust und Laune haben, ihr Geld im Einzelhandel zu lassen? Am Ende spielt Benedikt Stampa Korngolds Oper «Die tote Stadt». Das Alles wollen wir nicht! Oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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