Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zum geplanten Großklinikum – Baden-Baden „Prokopfverschuldung Platz 5 im Ländle“ – „Hinterzimmergemauschel im übelsten Sinn“

Baden-Baden, 04.01.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Wolfgang Holstein Stellung zu dem goodnews4-Bericht Krankenhausfrage nimmt in 2023 Fahrt auf – Baden-Württemberg Vorsitz Gesundheitsministerkonferenz – Baden-Badener OB Späth ohne Antwort zu goodnews4-Anfrage zur Klinikplanung.

Baden-Baden steht mit seinen Gemeinden, Eigenbetrieben und Eigengesellschaften am 31.12.2021 auf der Landesliste Baden-Württemberg mit Schulden von 248.732.000 Euro (i.W. über 248 Millionen Euro) und einer Prokopfverschuldung von 4.491 Euro auf Platz 5 im Ländle, hinter Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Ulm. Um aber auf den 1. Platz im Kampf um den «Goldenen Schuldenlorbeer» zu gelangen, hat sich die Stadt Baden-Baden ein neues Projekt vorgenommen, welches die endgültige Pleite besiegeln würde, und zwar das geplante neue Klinikum. Dessen Baukosten wurden im Jahr 2021 auf ca. 350 Millionen Euro geschätzt, das Projekt wird jedoch erst in einigen Jahren umgesetzt, was, wie aktuell beim Beispiel MLG-Sanierung eine erhebliche Kostensteigerung mit sich bringen dürfte (siehe goodnews4 vom 21.12.). Siehe auch der ebenfalls aktuelle Fall aus Berlin, wo die Kosten für die Sanierung der Komischen Oper im Jahr 2018 mit 227 Millionen Euro kalkuliert wurden und nun, vor geplantem Beginn der Arbeiten, aufgrund aktueller Angebote plötzlich mit 437 Millionen veranschlagt werden.

Man musste nicht unbedingt die Sendung von Mario Barth in RTL gesehen haben, um zu wissen, dass bei öffentlichen Bauprojekten a) die Bauzeit und b) die Gesamtkosten wesentlich überschritten werden. Bei den 10 Projekten in der vorgenannten Sendung lagen die Endkosten jeweils zwischen 200 Prozent und 400 Prozent höher als zu Baubeginn veranschlagt.

Wer jedoch glaubt, dass es sich bei den dort gezeigten Objekten nur um Einzelfälle handelt, dem sei die Lektüre des Preisindex für Bauleistungen des Statistischen Landesamt empfohlen (siehe goodnews4 vom 22.12.). Dort wird dargelegt, dass die Baukosten im Bereich Gewerbebau im 4. Quartal des Jahres 2022 gegenüber dem 4. Quartal des Jahres 2021 um 15,4 Prozent gestiegen sind! Legt man aufgrund der langen Durchführungsdauer des Klinikprojekts also eine Baukostenüberschreitung von «nur» 100 Prozent zugrunde, dann kostet das Klinikum statt der im Jahr 2021 geschätzten ca. 350 Millionen Euro bis zur Fertigstellung wahrscheinlich mindestens 700 Millionen Euro. 40 Prozent davon entfallen auf Baden-Baden = 280 Millionen Euro, davon ist der Landeszuschuss von 50 Prozent = 140 Millionen Euro abzuziehen, somit würden bei der Stadt Baden-Baden mindestens 140 Millionen Euro verbleiben.

 

Aber ganz gleich, ob sich das Schreckensszenario «nur&rauqo; auf 70 Millionen oder 140 Millionen beläuft, Baden-Baden verfügt weder über das Geld für die geringere Summe und schon gar nicht zum Ausgleich der höheren Summe. Man müsste sich den Betrag irgendwo leihen. Selbst die gemeindeeigene Sparkasse dürfte hier an ihre Kreditgrenzen stoßen, da sie ohnehin schon viele Millionen Schulden der Stadt in den Büchern stehen hat (siehe oben). Aber das stellt wahrscheinlich trotzdem kein Problem dar, denn die Sparkasse befindet sich in der Trägerschaft von Baden-Baden und Gaggenau und solange die Einlagen der Bürger die Kredite decken, ist ja alles in bester Ordnung; oder?? Wäre eventuell ein prüfenswerter Vorgang für die Deutsche Sparkassen-Aufsicht (Klumpenrisiko!)

Es stellt sich die Frage, ob für dieses Projekt jemals ein seriöser Finanzierungsplan erstellt wurde? Der wäre unabdingbare Voraussetzung, um über die Durchführung eines derartigen Projekts zu entscheiden. Den gibt es aber NICHT! Zumindest ist in der Öffentlichkeit nichts darüber bekannt. Es handelt sich hier um Hinterzimmergemauschel im übelsten Sinn, wobei noch nicht erkennbar ist, welche Interessengruppen hier ihre Hand im Spiel haben. Es kann sich hierbei doch nicht nur um die eitle Selbstdarstellung eines Landrats und zweier Provinzoberbürgermeister handeln; oder doch?

Wie will die Stadt die Finanzierung ihres Anteils an diesem Projekt stemmen? Liegt dem (nicht vorhandenen) Finanzierungsplan eine vorläufige Kreditzusage der Sparkasse zugrunde oder macht man es wie unser «altgedienter ausgewiesener Finanzfachmann» Christian «Bubi» Lindner, dessen «solide» Finanzierung seines «Sondervermögens» auf Grundlage der Berechnung über Steuereinnahmen der nächsten 137 Jahre beruht? Kein normaler Mensch käme auf die Idee, in ein größeres Objekt zu investieren, ohne sich vorher zu überlegen, ob man über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt; bzw. die Finanzierung anderweitig gesichert ist. Aber was ist bei den Baden-Badener Stadtverantwortlichen schon «normal»?

Wer erinnert sich noch an den Aufschrei der Bevölkerung, als die Stadt aus vertraglichen Gründen für ca. 20 Millionen Euro die Immobilie des Festspielhauses übernehmen und für weitere Millionen Euro sanieren musste? Wo bleibt der Aufschrei der Bevölkerung beim Klinikprojekt, welches ein Mehrfaches der vorgenannten Summe erfordert?

Erschwerend hinzu kommt noch die neue Krankenhaus-Strategie des Gesundheitsministers Lauterbach, die im Gegensatz zum bisherigen Mainstream eine Dezentralisierung von Kliniken vorsieht, was auch die Landesförderung wesentlich beeinflussen dürfe. Braucht man wirklich alle 40 km ein Großklinikum (Karlsruhe / Rastatt / Offenburg / Freiburg)? Ebenfalls nicht gesichert ist der Landeszuschuss zu diesem Harakiri-Wahnsinnsprojekt. Bezieht sich die vom Land zugesagte Förderung auf 50 Prozent der oben genannten geschätzten Bausumme von 350 Millionen oder gilt diese Zusage auch bei einer wesentlichen Überschreitung der Gesamtkosten?

Abzuwarten bleibt auch, ob sich die Prognose der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erfüllt, wonach bereits in 2023 vielen Krankenhäusern die Insolvenz droht, da mehr als die Hälfte der Kliniken seit Jahren ohnehin nur rote Zahlen schreiben, wie auch das Klinikum Baden-Baden!

Fazit: Welche wahnsinnigen Möchtegern-Politiker treiben so ein Projekt mit Vehemenz voran und werden dabei von welchen Stadträten/Parteien unterstützt? Und welche Stadträte/Parteien haben das Wohl der Bürger im Auge und stemmen sich vehement gegen diesen finanziellen Wahnsinn? Kein Stadtverantwortlicher kann doch so dumm und blauäugig sein, die Stadt durch die Umsetzung dieses wahnwitzigen Projekts, welches sich noch nicht einmal in Baden-Baden befindet, ins finanzielle Verderben zu stürzen, welches in eine Haushaltssperre münden würde mit allen sich daraus für die Zukunft ergebenden negativen Konsequenzen. Eine diesbezügliche Vorwarnung hat Baden-Baden vom Regierungspräsidium bereits erhalten! Hat Baden-Baden mit dem Klinikum Mittelbaden, dem Kongresshaus, dem Stadttheater und einigen städtischen Betrieben nicht schon genug Pleiteunternehmen am Hals, welche jedes Jahr Millionen-Subventionen benötigen. Das vorhandene Geld aus Steuereinnahmen reicht doch jetzt schon nicht für dringend erforderliche Investitionen!

Dem Vernehmen nach bemüht sich Baden-Baden um eine Reduzierung der Beteiligung von 40 Prozent auf 25,1 Prozent mit dem Argument, man habe ja auch weniger Einwohner wie der Landkreis. Dem könnte Rastatt jedoch entgegenhalten, dass Baden-Baden die ältere Bevölkerung aufweist und damit auch mehr künftige Nutzer der neuen Klinik hätte.

Warum will man gegenüber Rastatt nicht offen zugeben, dass man nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, um sich an so einem Projekt zu beteiligen? Stattdessen üben sich in Baden-Baden die Stadtverantwortlichen weiterhin in der ihnen auf den Leib geschriebenen Rolle des Hochstaplers und hoffen, dass sie sich noch vor Fertigstellung der Klinik in den Ruhestand begeben können, immer nach dem bewährten Politiker-Motto «nach mir die Sintflut». Merken die Stadtverantwortlichen nicht, dass sie bei ihren einsamen und selbstgefälligen Entscheidungen die Bevölkerung nicht mehr hinter sich haben? Diese ist es zwar gewohnt, belogen zu werden, aber irgendwann ist auch deren Geduld am Ende. Muss erst wieder ein Bürgerbegehren wie bei der Fieserbrücke dieses Harakiri-Wahnsinnsprojekt zu Fall bringen?

Die Verantwortlichen, welche diesem Objekt ohne fundiertem, soliden Finanzierungskonzept zustimmen, machen sich der fahrlässig oder sogar vorsätzlich verbeigeführten Insolvenz schuldig und sollten dafür später strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, was im Fall der Korruption um die Sanierung des Leopoldplatz auf der politischen Seite bisher leider versäumt wurde.

Wolfgang Holstein
Baden-Baden


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