Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - Zum goodnews4-Bericht „‘Badisches Tagblatt‘ drohen Konflikte“ - Wenn ich die Stephanienstraße heruntergehe, packt mich die Wut“

Baden-Baden, 01.09.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Dr. Michael Abraham Stellung zu dem goodnews4-Bericht «Badisches Tagblatt» drohen Konflikte − Israelitische Religionsgemeinschaft erwägt rechtliche Schritte wegen Synagogen-Grundstück − Rami Suliman: «Wenn nötig, durch alle Instanzen, um Würde des Ortes wiederherzustellen».

Wenn ich die Stephanienstraße heruntergehe, vorbei am Parkplatz auf dem eingeebneten Grundstück der verbrannten Baden-Badener Synagoge, packt mich die Wut. Es ist eine offene Wunde, die vor 80 Jahren gerissen wurde und bisher nicht verheilt ist.

Ich denke dabei auch an die 15 Kinder, Frauen und Männer aus der Familie meines Vaters, die damals in Berlin zusammenkamen und verzweifelt nach Möglichkeiten suchten, das Land, das nur fünf Jahre zuvor ihre Heimat war, zu verlassen. Glücklicherweise gelang den meisten die Flucht − bis auf die Familie meiner Tante Hedwig: Vier Stolpersteine erinnern in Berlin-Mitte an sie.

Was erinnert an die Synagoge in Baden-Baden? Ein Parkplatz mit einem verschämten Gedenkstein am Straßenrand. Die Stadt hätte die Chance, die Wunde vom 10. November 1938 ein Stück zu schließen, wenn am 80. Jahrestag der Pogromnacht wenigstens der Grundstein für die neue Synagoge am historischen Platz oder an einem anderen Ort der Innenstadt hätte gelegt werden können. Es sollte nicht sein. Es ist, als ob sich unsichtbare, schweigende Kräfte dagegen stemmen.

Unsere OB Frau Mergen beruft sich in einem Interview für diese Zeitung auf die mehrheitliche Entscheidung der jüdischen Gemeinde der Stadt für den Neubau in der Fürstenbergallee. Das ist zu respektieren, ebenso wie die Rechte der Eigentümer des Grundstücks in der Stephanienstraße. Frau Mergen erwähnt leider nicht, dass die Entscheidung der Gemeinde für diesen Standort durch das indolente Verhalten der Stadtmütter und -väter indirekt herbeigeführt worden ist. Darüber wurde in dieser Zeitung ausführlich berichtet. Wenn kein Wunder geschieht, wird man sich in 100 Jahren fragen, aus welchen Gründen die weltbekannte, schöne und wohlhabende Stadt Baden-Baden ihre Synagoge außerhalb der Innenstadt versteckt hat.

Sehr geehrte Frau Mergen, verehrte Eigentümer des Grundstücks: Lassen Sie wenigstens ein würdiges Denkmal anstelle des profanen Parkplatzes entstehen, inmitten eines kleinen Parks, unter Einbeziehung der Grundmauern der Synagoge, mit einem Dokumentationszentrum zur Geschichte der Juden in Baden-Baden. Damit wäre gleichzeitig die per Kaufvertrag ausgeschlossene profane Nutzung des Geländes als Parkplatz des Badischen Tageblatts definitiv beendet.

Dr. Michael Abraham
Baden-Baden


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