Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zum Neubau Klinikum Mittelbaden – „Wollen wir wirklich einen Exodus der Kompetenz?“

Baden-Baden, 02.02.2021, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Astrid Sperling-Theis Stellung zu dem goodnews4-Bericht Ende der Klinik in Balg wird eingeläutet − Stadtverwaltung Baden-Baden empfiehlt zentralen Klinik-Neubau.

Der Neubau eines Klinikums im mittelbadischen Raum erhitzt die Gemüter der BürgerInnen. Das ist gut nachzuvollziehen, denn seit Jahrzehnten (Jahrhunderten?) gibt es die klinische Versorgung wohnortnah. Aber das waren Zeiten ohne gut ausgebautem ÖPNV und privaten Autofahrten. Heute sind die Verkehrsgegebenheiten bequem und die Ansprüche an eine optimale klinische Versorgung sind gewachsen - gut so! Und dem muss ein gutes Klinikum auch Rechnung tragen: nah zu öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn sowie einfach zu erreichen über Autobahn und Straßen, nicht wie in Rastatt (Stadtmitte) und bergauf wie in Baden-Baden.

 

Aber meine Überlegungen zum Neubau, den ich seit vielen Jahren - bis 2019 als langjährige Aufsichtsrätin beim Klinikum Mittelbaden - befürworte, berühren bisher öffentlich nicht so thematisierte Bereiche:

1. Der Konkurrenzkampf der Kliniken untereinander ist gewachsen - das hat nichts mit finanziellen Aspekten zu tun, sondern mit der Personalsituation. Wer bekommt die besten Ärzte, die versiertesten Pflegekräfte? Hervorragende Fachkräfte suchen sich das Haus aus, das bestens ausgestattet ist und mit optimaler Organisation, d. b. kein Hin- und Herfahren zwischen verschiedenen Standorten. Gute Kräfte streben nicht in die Provinz, um an einer veralteten, wenn auch ständig gut renovierten und modernisierten Klinik zu arbeiten. Das Angebot an 1a-Häusern in unserer unmittelbaren Umgebung ist vielfältig. An ein veraltetes Provinzkrankenhaus als Chefarzt gehen? Nein, dann lieber Oberarzt an einer modernen, großstädtischen Klinik. Einen Run auf die Stellen im Klinikum Mittelbaden gibt es zukünftig sicher nicht - gute Fachkräfte werden immer rarer.

2. Die Spezialisierung der Kliniken schreitet voran: So müssen die hiesigen Häuser endlich zu einem Klinikum zusammengefasst werden, damit gut spezialisierte Abteilungen erhalten bleiben. Es ist z. B. vorgeschrieben, dass ein Krankenhaus nur Knieoperationen durchführen darf, wenn in dem Haus pro Jahr genügend derartigen Operationen durchgeführt werden. D. b., es ist zum Wohl der Patienten, wenn Operateure genügend Erfahrung haben. Sollten die vorgegebenen OP-Zahlen nicht erreicht werden, droht der Entzug der OP-Erlaubnis für diese Fälle. Und das ist doch für die Patienten aus der Region viel schlimmer: Anfahrt nach Karlsruhe, Heidelberg oder Offenburg?

Nebenbei: Schon jetzt fahren Patienten z. B. nach Pforzheim oder Karlsruhe, weil sie meinen, woanders klinisch besser versorgt zu werden. Statistiken belegen das genau. Eine Facharztausbildung in einem Haus mit wenigen Abteilungen, wo man vorwiegend Patienten vor einer Überweisung an andere Kliniken betreut? Wollen wir das? Wollen wir wirklich einen Exodus der Kompetenz? Das bedeutet: Wir wären weniger konkurrenzfähig auf dem Markt der Fachkräfte und die Patienten aus der Region hätten folglich längere Anfahrtswege - ein Teufelskreis… Noch hat das Klinikum Mittelbaden viele Fachabteilungen mit gutem Renommee. Kämpfen wir für ein modernes, konkurrenzfähiges, NEUES Klinikum Mittelbaden.

Mit freundlichen Grüßen
Astrid Sperling-Theis
Baden-Baden


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