Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – Zum Rücktritt des Rastatter OB Pütsch als Aufsichtsrat des Klinikum Mittelbaden
Baden-Baden, 13.01.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Klaus-Eckhard Walker Stellung.
Der Fachmann staunt und der Laie wundert sich über die Schlagzeile in den Tageszeitungen am 12.01.2023, wonach der Rastatter Oberbürgermeister Hans Jürgen Pütsch von seinem Amt als Aufsichtsratsmitglied des Klinikums Mittelbaden gGmbH zurückgetreten ist.
Ein solcher Schritt bedeutet nicht nur einen beträchtlichen Verlust an Ansehen, sondern auch einen Verlust an Nebeneinkünften. Spekulationen wird somit Tür und Tor geöffnet. Warum also trat der Rastatter Oberbürgermeister zurück?
Pütsch selbst will Klarheit schaffen, wofür er in Sachen Klinikum steht. War hier etwas unklar? War nicht er es, der in einer Anzeigenkampagne gegen die Bürgerinitiative Südlicher Stadteingang – JA zum Standort Merzeau zu Felde gezogen ist, ohne dass ihm der Rastatter Gemeinderat bis heute grünes Licht dafür gegeben hat, sich für den Klinikstandort am Münchfeldsee stark machen zu dürfen. War nicht die Barockstadt Rastatt es, die in einer Anzeigenkampagne lautstark getönt hat &lauqo;Klares Bekenntnis zur Standortwahl fürs Zentralklinikum ‚Am Münchfeldsee‘»? Und ist der Oberbürgermeister nicht dafür verantwortlich, was die Barockstadt in die virtuelle Welt setzt.?
Es geht hier nicht darum, welche Auffassung Oberbürgermeister Pütsch in der Standortfrage hat, sondern darum, dass die Interessen der Stadt Rastatt vernünftig vertreten werden. Welches die Interessen der Stadt Rastatt unter Berücksichtigung der anzuhörenden Betroffenen und zu Beteiligenden sind, entscheidet der Gemeinderat und nicht ein Oberbürgermeister. Daran fehlt es bis heute.
Nur so war es denkbar, dass sich die Gesellschafter des Klinikums in Hinterzimmergesprächen getroffen und wohl auch z.B. in der Geburtenfrage und der Errichtung einer Enklave auf Rastatter Grund und Boden verständigt haben, wenn man den Worten von Oberbürgermeister Späth geneigt ist zu folgen. Und nur deshalb, weil die Bürgerinnen und Bürger in den angrenzenden Wohngebieten zum Münchfeldsee und Merzeau nicht gehört wurden, konnte sich eine Bürgerinitiative bilden, die inzwischen das Heft des Handelns an sich gezogen hat und den Standort Merzeau und damit die Beseitigung des Schandflecks am südlichen Stadteingang als Klinikstandort ins Auge gefasst hat.
Nachdem die erforderliche Anzahl an Unterschriften bei weitem überschritten wurde, wird es wohl zu einem Bürgerentscheid kommen, in dem die Bürgerinnen und Bürger den Standort festlegen werden. Dies soll am 01.02.2023 vom Gemeinderat beschlossen werden.
Da klingt es zunächst doch gut, wenn ein Oberbürgermeister seine ganze Kraft in die Waagschale werfen will und dafür sogar von seinem Amt im Aufsichtsrat zurückzutreten bereit war. Nur tut Pütsch dies wohl nicht ganz freiwillig. Ich nehme ihm nicht ab, dass dieser Schritt aus freien Stücken erfolgte. Das Damoklesschwert der Befangenheit hing die ganze Zeit über ihm. Heute ist es gefallen. Jetzt endlich zog OB Pütsch die notwendige Konsequenz und trat zurück.
Wenn es zutrifft, dass OB Pütsch seinen Rücktritt am 18.12.2022 gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Dusch erklärt hat, steht seine Rücktrittserklärung offenkundig in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Bescheid des Regierungspräsidiums auf die beiden Beschwerden der Bürgerinitiative «Südlicher Stadteingang – JA zum Standort Merzeau» und meiner in Sachen Anzeigenkampagne. Üblicherweise erhält eine Kommune zeitgleich mit den Beschwerdeführern eine gesonderte Einschätzung der Aufsichtsbehörde zu den aufgeworfenen Fragen. Und genau zu diesem Zeitpunkt erklärt OB Pütsch seinen Rücktritt als Aufsichtsratsmitglied. Das ist kein Zufall, auch wenn es fast drei Wochen gebraucht hat, bis die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangte.
Nachdem in meiner Beschwerde an das Regierungspräsidium u.a. die Aufsichtsratstätigkeit des OB wegen vorhandener Interessenkollisionen angesprochen und moniert wurde, ist es naheliegend, dass auch die Aufsichtsbehörde dieses Thema aufgegriffen und den Rücktritt anempfohlen haben könnte.
Eine Meinungsäußerung von Aufsichtsratsmitgliedern der Klinikum Mittelbaden gGmbH in einer städtischen Anzeige, sei sie auch «nur» als die eines Gemeinderates verpackt, war m.E. ebenso wegen Befangenheit gem. § 18 Abs. 1 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 GemO rechtswidrig. Denkbare unterschiedliche Interessen der ins Auge gefassten Standortgemeinde und die der Trägergesellschaft für einen Neubau eines Krankenhauses, das Klinikum Mittelbaden gGmbH, stünden in einem solchen Fall der Meinungsäußerungsfreiheit von Aufsichtsratsmitgliedern entgegen. Die bloße Möglichkeit einer Interessenkollision genügt, um einen Rücktritt auslösen zu können und die notwendige Klarheit zu schaffen.
Interessenkollisionen sind daher nicht ohne Grund von vornherein von Amtsträgern und Gemeinderäten offenzulegen. Geschieht dies nicht, könnte ein Wink aus der Aufsichtsbehörde für entsprechenden Nachdruck gesorgt haben. Der in der Anzeigenkampagne aufgeführte Oberbürgermeister der Stadt Rastatt Hans-Jürgen Pütsch, sein allgemeiner Stellvertreter Arne Pfirrmann und Stadträtin Frau Simone Walker gehören dem Aufsichtsrat des Klinik Mittelbaden gGmbH an. Sie alle haben die Anzeige trotz Befangenheit unterschrieben.
Die genannten Personen sind Mitglieder des Kreistags und wurden vom Kreistag des Landkreises Rastatt zu Aufsichtsräten der Klinikum Mittelbaden gGmbH bestellt. Als solche sind sie ausschließlich (!!) dem Wohl der Gesellschaft (Klinikum) verpflichtet. Die Interessen ihrer Herkunftsgemeinde dürfen sie als Aufsichtsräte in einschlägigen Angelegenheiten nicht vertreten. Denn das Öffentliche Interesse und das der Aufsichtsräte können möglicherweise auseinanderlaufen (z.B. wegen Divergenz). Allein die Möglichkeit, dass dies nicht auszuschließen ist. führt zur Befangenheit. Wegen des bloßen bösen Anscheins, der entstehen könnte, wäre dem Rastatter Oberbürgermeister Pütsch aus den vorgenannten Gründen jedwede weitere Mitwirkung an der Entscheidungsfindung für einen Klinikstandort in Rastatt ansonsten für die Zukunft zu versagen gewesen. Um dies zu verhindern, kann ein Rücktritt helfen.
Offen und unbeantwortet ist nach wie vor die Frage, ob im Falle der Anzeigenkampagne Aufsichtsratsmitglieder des Klinikums Mittelbadens gGmbH in ihrer Eigenschaft als Gemeinderäte der Stadt Rastatt die Anzeigenkampagne der Großen Kreisstadt Rastatt unterzeichnen und mittragen durften. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Leser wussten, dass in der Anzeige auch drei Rastatter Aufsichtsratsmitglieder mitunterschrieben haben. Im Verschweigen ihrer Interessenlage und dem Verschweigen ihrer Funktion «Aufsichtsrat» liegt eine gravierende Täuschung der Öffentlichkeit. Ein solches Verhalten könnte bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen das gesamte Verfahren rechtswidrig machen.
Das Auftreten der Aufsichtsratsmitglieder in der Anzeigenkampagne war somit nach meiner Auffassung geeignet, Wähler von einer Beteiligung am Bürgerbegehren abzuhalten, weil in der Anzeige der unzutreffenden Eindruck erweckt wurde, über das Anliegen der Bürgerinitiative sei zumindest faktisch bereits entschieden. Die Anzeigenkampagne behält ihr Geschmäckle. Wer für die Kosten des mit Halbwahrheiten gespickten Propagandafeldzuges einzustehen hat, ist an anderer Stelle zu prüfen.
Klaus-Eckhard Walker
Oberbürgermeister a.D.
Rastatt
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