Streit um Klinikstandort

Widerstand auch aus Rastatt gegen Klinikstandort „Am Münchfeldsee“ – „Bewertung des Standortes nicht aufrechtzuerhalten“

Widerstand auch aus Rastatt gegen Klinikstandort „Am Münchfeldsee“ – „Bewertung des Standortes nicht aufrechtzuerhalten“
Auf dem Grundstück „Am Münchfeldsee“ soll das neue Zentralklinikum für Baden-Baden und den Landkreis Rastatt gemaut werden. Foto: Archiv

Baden-Baden/Rastatt, 08.11.2024, Bericht: Redaktion Die Unterstützer des Rastatter Standorts «Am Münchfeldsee» für den Bau einer neuen Zentralklinik geraten zunehmend unter Druck.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass in Baden-Baden ein Bürgerbegehren eingeleitet ist. Gegen den Baden-Badener Oberbürgermeister Dietmar Späth und den Rastatter Landrat Christian Dusch wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium eingereicht.

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Nun richtet sich auch eine Analyse der Bürgerinitiative Lärmschutz Rastatt Münchfeld/Siedlung e.V. gegen die Pläne des Rastatter Landrats Dusch, des Baden-Badener Oberbürgermeisters Späth und der Rastatter Oberbürgermeisterin Monika Müller. Zur Analyse, die sich auf das Gutachten der Firma Endera-Krankenhausberatung bezieht, heißt es: «Nach unserer Auffassung ist damit die Bewertung des Standortes ‚Am Münchfeldsee‘ als am besten für einen Klinikneubau geeigneter Standort nicht aufrechtzuerhalten.» Die Vertreter der Bürgerinitiative Iris Sutter und Thomas Kehrer bitten das «Mittelbaden-Trio» um die Beantwortung zu den in der Analyse aufgeführten Fragen. Als «Mittelbaden-Trio» hatten sich Dusch, Späth und Müller selbst erklärt mit dem Ziel, den Standort «Am Münchfeld» in Rastatt durchzusetzen.

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Das Schreiben der Bürgerinitiative Lärmschutz Rastatt Münchfeld/Siedlung e.V. an Landrat Christian Dusch, Oberbürgermeister Dietmar Späth und Oberbürgermeisterin Monika Müller vom 7. November 2024 im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren.

Wie Sie wissen, hat das Gutachten «Suche/Auswahl eines Grundstücks für eine Klinik-Neustruktur in der Region Mittelbaden des Klinikums Mittelbaden» der Endera Krankenhausberatung GmbH den Ausschlag gegeben für die Entscheidung, das neue Klinikum Baden-Baden/Rastatt am Standort «Am Münchfeldsee» zu planen. Grund ist das gute Abschneiden des Standorts bei den Bewertungen der verschiedenen, von den Trägern festgelegten Kriterien. So erscheint es auf den ersten Blick durchaus plausibel, dass das Grundstück «Am Münchfeldsee» das Feld der Mitbewerber anführt.

Bei genaueren Hinsehen zeigt sich jedoch, dass das Gutachten bei einer Reihe der untersuchten Kriterien Bewertungen enthält, die einer kritischen Betrachtung nicht standhalten, weil sie aufgrund der Faktenlage nicht nachvollziehbar oder nicht ausreichend begründet sind.

 

Dazu gehört einmal das unter dem Kriterium &lauqo;Grundstücksgröße und Zuschnitt» (4.1.) aufgeführte Unterkriterium «Mindestgrundstücksgröße in Verbindung mit Zuschnitt». Gefordert werden hier neben einer Mindestgrundstücksfläche von 6,8 ha weitestgehend gerade Grenzverläufe ohne schmal zulaufende Grundstücksformen und ohne spitze Grundstücksecken (vgl. 4.1.1., Seite 13). Beide als möglicher Standort für einen Klinikneubau in Rastatt vorgesehenen Grundstücke erfüllen drei dieser Kriterien: Der Standort «Südlicher Stadteingang» hat eine Fläche von 8,4 ha, verfügt über gerade Grenzverläufe und weist keine für den Bau größerer Gebäude ungeeigneten spitzen Grundstücksecken auf, der Standort «Am Münchfeldsee» hat eine Fläche von 7,9 ha, wenig schmal zulaufende Grundstücksformen und keine spitzen Grundstücksecken, dafür aber nicht überall gerade Grenzverläufe, da es sich um ein trapezförmiges Grundstück mit Einschnitt durch das angrenzende Gewässer handelt (Vgl. Lagepläne Seiten 13 - 15). Dennoch schneiden die beiden Grundstücke bei der Bewertung sehr unterschiedlich ab: Das Gelände «Am Münchfeldsee» erhält die Note «gut 80%» (4.1.1.2., Seite 14), das Gelände «Südlicher Stadteingang» die Note «ausreichend 40%» (4.1.1.1., Seite 13). Angesichts dessen, dass beide Grundstücke drei der vier geforderten Bewertungskriterien erfüllen, ist der große Abstand bei den vergebenen Schulnoten nicht gerechtfertigt und wird im Gutachten auch nicht nachvollziehbar begründet.

Zieht man die Bewertungsergebnisse der anderen geprüften Standorte Baden-Baden Sandweier, Weiher (4.1.1.3.), Baden-Baden Haueneberstein, Wörnersangewand (4.1.1.4.) und Baden-Baden Balg (4.1.1.5.), hinzu, fällt auf, dass sie mit Flächen von 5,56 ha, 6,23 ha und 4,67 ha sämtlich die geforderte Mindestgrundstücksfläche von 6,8 ha nicht erreichen, keine geraden Grundstücksgrenzen aufweisen und mindestens eine spitze Grundstücksecke haben. (Siehe Lagepläne Seiten 13 - 15). Dennoch werden sie deutlich besser bewertet als das Grundstück «Südlicher Stadteingang»: das Grundstück «Weiher» erhält die Note «befriedigend» 60%, das Grundstück «Wörnersangewand» und das Balger Grundstück erhalten die Note «gut» 80%. Diese Bewertungen erscheinen im Hinblick auf die im Kriterium «Mindestgröße in Verbindung mit Zuschnitt» gestellten Anforderungen völlig aus der Luft gegriffen.

Wie ist zu erklären, dass Grundstücke, die drei der im Pflichtenheft zum Gutachten formulierten Mindestanforderungen (Grundstücksgröße, gerade Grenzverläufe und keine spitzen Grundstücksecken) nicht erfüllen, besser abschneiden, als ein Grundstück, welches nur eine der vier Anforderungen nicht erfüllt?

Bemerkenswerterweise finden sich in zwei Gutachten, welche die Stadt anlässlich ihrer Bewerbung mit den beiden Grundstücksoptionen in Rastatt hatte erstellen lassen, zum Kriterium Grundstücksgröße ganz andere Bewertungen (Gutachten der Astoc GmbH, «Bewerbung der Stadt Rastatt für das neue Klinikum Mittelbaden , Standort Südlicher Stadteingang» und «Bewerbung der Stadt Rastatt für das neue Klinikum Mittelbaden Standort, Standort Am Münchfeldsee»): Zum Grundstück «Südlicher Stadteingang» ist dort zu lesen, sein Flächenzuschnitt sei optimal, vielfältig nutzbar und könne auf die Bedarfe der Klinik abgestimmt werden (Kapitel 01, «Grundstücksgröße und Zuschnitt», Kriterium 1.1. «Mindestgrundstücksgröße in Verbindung mit Flächenzuschnitt»/«erfüllte Kriterien», Seite 19). Exakt derselbe Wortlaut findet sich im Gutachten für den Standort «Am Münchfeldsee» (Kapitel 01, «Grundstücksgröße und Zuschnitt, Kriterium 1.1. «Mindestgrundstücksgröße in Verbindung mit Flächenzuschnitt»/«erfüllte Kriterien», Seite 19).

Wie ist es zu erklären, dass sich die zum Standort «Südlicher Stadteingang» abgegebenen Bewertungen im Gutachten (Suche/Auswahl…) der Endera GmbH so erheblich von den im Gutachten der Astoc GmbH abgegebenen Bewertungen unterscheiden?

Zum anderen das Kriterium «Bauplanungsrechtliche Eckdaten» (4.2.) Hier wird im Unterkriterium «Einschränkende Faktoren der Bebaubarkeit» (4.2.2., Seite 22) gefordert, dass die Höhe und Nutzungsart der umgebenden Bebauung grundsätzlich eine Landemöglichkeit von Hubschraubern (nach EU-Konformität) erlauben muss.

Die Bewertung:

«Südlicher Stadteingang»: Hochspannungsleitung/Mast in 200 m Abstand zum Baufeld. Dachlandeplatz möglich. Verlegung eines Abwasserkanals erforderlich. Keine Denkmäler vorhanden. Note «ausreichend 45%» (4.3.2.1., Seite 22)

«Am Münchfeldsee»: Hochspannungsleitung/Mast in 115 m Abstand zum Baufeld. Dachlandeplatz möglich. Keine Denkmäler vorhanden. Note «befriedigend 60 %» (4.3.2.2., Seite 23)

Das Grundstück «Am Münchfeldsee» kann die für einen Dachlandeplatz gestellten Anforderungen nicht so gut erfüllen wie der Standort «Südlicher Stadteingang», da sich in 115 m Abstand zum Baufeld der Mast einer Hochspannungsfreileitung befindet, während der Abstand zur Freileitung bei letztgenanntem 200 m beträgt.

In einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema «Landemöglichkeiten von Hubschraubern» wird zu Hochspannungsfreileitungen ein Abstand von 300 m gefordert.

Ungünstig für die Möglichkeiten eines Direktanfluges wirken sich auch die beiden in unmittelbarer Nähe des Standortes «Am Münchfeldsee» an der Stadionstraße gelegenen Wohnhochhäuser aus.

Inwieweit ist der Umstand, dass die Möglichkeiten eines Direktanfluges zum Dachlandeplatz am Standort «Am Münchfeldsee» und die Lagebeziehungen zur Hochspannungsleitung schlechter sind als am Standort «Südlicher Stadteingang» in die Bewertung eingegangen?

Im Kriterium «Grundstücksbeschaffenheit» (4.3.) wird beim Unterkriterium «Topografie und Bodenbeschaffenheit» (4.3.1., Seite 26) gefordert, das Grundstück solle möglichst eben sein, eine ein- bzw. mehrgeschossige Hangbebauung in der Größenordnung des geplanten Klinikums wird als unwirtschaftlich und bautechnisch dauerhaft problembelastet eingestuft.

In der dazugehörenden Bewertung ist zu lesen, dass Grundstück «Am Münchfeldsee» sei eben. Dies ist nachweislich nicht der Fall: Jedem, der das Grundstück kennt, ist bekannt, dass die Ruhrstrasse, die seine westliche Grenze bildet, 6 m über Seeniveau liegt, die durch einen Abhang überwunden werden. Die Aussage, das Grundstück sei eben, entspricht demnach nicht den Tatsachen und wirkt umso mehr befremdlich, als man aus der Bewertung des Standortes «Südlicher Stadteingang» erfährt, dessen Gelände sei weitgehend eben mit einem Gefälle von 1,7 m, was planerisch gut beherrschbar sei.

Warum wird ein Grundstück, welches nachweislich einen Abhang über einen Höhenunterschied von 6 m aufweist, als eben bezeichnet?

Unter dem Kriterium «Regionalität, Wohnortnähe, Anbindung» (4.4.) wird im Unterkriterium «Regionalität, Einfluss-/Störfaktoren des regionalen Umfelds (Radius 5 km) - Attraktivität des Umfeldes» (4.4.1., Seite 32/33) gefordert, dass Nassräume und grossflächige Waldgebiete in unmittelbarer Nähe aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit und der damit verbundenen Belastung durch Ungeziefer vermieden werden.

Bei der dazugehörenden Bewertung (4.4.1.1./2. Seite 33) wird der Umstand, dass sich der Standort «Am Münchfeldsee» unmittelbar an einem stehenden Gewässer und deutlich näher an einem Waldgebiet befindet als der Standort «Südlicher Stadteingang» nicht berücksichtigt. Vielmehr bezieht man sich ausschließlich auf die Bodenrichtwerte der beiden Grundstücke.

Inwieweit ist der Umstand der Gewässernähe des Standortes «Am Münchfeldsee» in die Bewertung eingegangen?

Erklärungsbedürftig ist auch, weshalb beim Standort «Am Münchfeldsee» dessen rechnerisches Ergebnis für die Bewertung um 1% auf 75% («gut») aufrundet wurde, wohingegen das rechnerische Ergebnis der Standortes «Südlicher Stadteingang» von rechnerisch 69% auf 65% («befriedigend») um ganze 4% nach unten gerechnet wurde. (Seite 33). Ein Versehen?

Unter dem Kriterium «Öffentliche Erschließung» (4.6.) werden im Gutachten für das Unterkriterium „Anbindung an das ÖPNV- und Straßen-/Wegenetz in der Region“ (4.6.1., Seite 41/42) folgende Anforderungen formuliert: «Für das Grundstück muß eine grundsätzlich gute Erreichbarkeit über Hauptverkehrswege - möglichst keine Zuwegung durch kleinteilige Wohngebiete - gegeben sein und (es) sollte sich im Einzugsgebiet von Bundesstraße(n) befinden.»

Bei der Bewertung liegen die beiden Rastatter Standorte «Südlicher Stadteingang» und «Am Münchfeldsee» mit der Note «gut» 85% gleichauf, beiden wird eine «gute Straßenerschließung» bescheinigt (4.6.1.1./2., Seite 42/43).

Diese Bewertung ist nicht gerechtfertigt angesichts dessen, dass der Standort «Am Münchfeldsee» aufgrund seiner Lagebeziehungen zum angrenzenden Wohngebiet und des umliegenden Hauptverkehrsstraßen weitaus schlechter an das Verkehrsnetz anzubinden ist als der Standort «Südlicher Stadteingang» und die vorgesehene Anbindung an die noch im Planungsstadium befindliche Querspange nur an deren Einmündung in die L 75 möglich und dort wegen der schon ohne Klinikneubau prognostizierten hohen Verkehrsbelastung nicht unproblematisch ist (siehe Verkehrsuntersuchung Südquerspange Modus Consult, erstellt im Auftrag der Stadt Rastatt im Februar 2019).

Auch wenn das Problem der Anbindung an die Querspange erst anlässlich einer Gemeinderatssitzung im Juni 2023 angesprochen wurde, gehen wir davon aus, dass es für die Planer schon bei der Erstellung des Gutachtens erkennbar gewesen sein muss. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass die Möglichkeiten einer Anbindung des Standortes «Am Münchfeldsee» zum damaligen Zeitpunkt nicht untersucht wurden.

Können Sie Gründe anführen, warum dies nicht geschehen ist und warum es zu dieser offensichtlich fehlerhaften Bewertung gekommen ist?

Zusammenfassend ergibt sich für uns folgendes Bild: Die in den Hauptkriterien «Grundstücksgröße und Zuschnitt» (4.1.) und «Öffentliche Erschließung» (4.6.) vergebenen Bewertungen sind eindeutig fehlerhaft, in den Kriterien «Bauplanungsrechtliche Eckdaten» (4.2.), «Grundstücksbeschaffenheit» (4.3.) und «Regionalität, Wohnortnähe, Anbindung» (4.4.) finden sich Unstimmigkeiten, die einer Erklärung bedürfen.

Nach unserer Auffassung ist damit die Bewertung des Standortes «Am Münchfeldsee» als am besten für einen Klinikneubau geeigneter Standort nicht aufrecht zu erhalten.

Wir bitten Sie um die Beantwortung der von uns zu den einzelnen Kriterien formulierten Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Iris Sutter
gez. Dr. Thomas Kehrer




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