Serie zum 11. Pierre Pflimlin Symposium im Brenners Park-Hotel in Baden-Baden

Jean Asselborn dachte in Baden-Baden an Donald Trump – Luxemburger Außenminister im goodnews4-Interview: „Um acht Uhr wird der Tweet erwartet“ - Zum Iran: „Um Europa zu erreichen braucht man nur Kontinentalraketen“

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Jean Asselborn

Rede von Jean Asselborn beim 11. Pierre Pflimlin Symposium

Baden-Baden, 11.05.2018, Bericht: Redaktion Im Brenners Park-Hotel hatte am Dienstag das aufgeregte Baden-Badener Lokalgeschehen eine Pause. Während der Fahrt des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn waren seine Gedanken mehr in Washington als in Baden-Baden, wo ihn 250 Gäste zur Verleihung des «Goldenen Coeur de l’Europe» um 18.30 Uhr erwarteten.

Für 20 Uhr hatte US-Präsident Donald Trump die Entscheidung zum Atomabkommen mit dem Iran angekündigt. So ging der Außenminister in seiner ausführlichen Rede und in einem Interview mit Christian Frietsch auch auf die Risiken ein, die der später am Abend bestätigte Ausstieg der USA aus dem Atomvertrag für Europa bedeuten kann. Auch den militärischen Worst Case sprach Jean Asselborn an. Mittelstreckenraketen des Iran könnten die USA nicht erreichen, aber Europa sei davor nicht sicher. So sind es nicht nur die Entscheidungen wie der Handelskonflikt, der sich auf den Wohlstand auswirken kann, sondern auch die militärische Lage rückt unversehens in den Fokus der aktuellen Betrachtung nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran.

PDF Rede von Jean Asselborn «Die neue Verantwortung Europas» beim 11. Pierre Pflimlin Symposium

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Rede von Jean Asselborn beim 11. Pierre Pflimlin Symposium


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Jean Asselborn beim 11. Pierre Pflimlin Symposium im Brenners Park-Hotel:

Christian Frietsch: Jean Asselborn, was uns natürlich auch interessiert, sind die drei Sprachen in Luxemburg. Ich habe gelesen, dass es seit 1983 offizielll die Landessprache Luxemburgisch gibt. Wenn man mit drei Sprachen umgeht, träumen Sie die schönen Träume in Französisch und in Luxemburgisch und die Alpträume in Deutsch?

Jean Asselborn: Also es ist so in Luxemburg: Wir stehen morgens auf und normalerweise reden wir Luxemburgisch, dann lesen wir die Zeitung und sind meistens schon in Deutsch, denn die zwei Hauptzeitungen sind in Deutsch, dann gehen wir zur Arbeit und dann ist Französisch, sagen wir mal, Trumpf. Ich glaube, es ist eine große Chance. Wir haben zwar auch in unserem kleinen Land Debatten, dass jeder, der in Luxemburg lebt, auch Luxemburgisch sprechen müsste. Wir versuchen bei den jungen Menschen, wir haben 40 Prozent Nicht-Luxemburger in unserem Land, von daher versuchen wir die Integration über unsere Sprache hinzubekommen. Es ist extrem schwierig, wir haben 100.000 portugiesische Menschen in Luxemburg, dass die so schnell Luxemburgisch lernen. Wenn jemand aus Deutschland kommt, geht es schneller. Das ist ein moselfränkischer Dialekt unterwandert mit vielen belgischen und französischen Ausdrücken. Aber wir versuchen die Identität Luxemburgs nicht nur auf die Sprache zu reduzieren selbstverständlich, aber die Sprache soll helfen, dass wir trotzdem alle glauben oder hoffen, eine Gemeinschaft zu sein.

Christian Frietsch: Sie haben es angesprochen: 100.000 Portugiesen − und das ist ja schon lange so − da fällt einem natürlich gleich unsere Bundeskanzlerin ein, der man vielleicht ein bisschen Know-how hätte geben können. Unsere Bundeskanzlerin musste ja einiges ertragen in der Willkommenskultur. Haben Sie mit ihr mal darüber reden können?

Jean Asselborn: Ja. Für mich ist es klar, über die Parteien hinweg. Stellen Sie sich vor − Sie haben zitiert, was ich zu Ungarn gesagt habe − Deutschland hätte so reagiert wie Ungarn reagiert hat in 2015, dann wäre in Europa ein neuer Krieg ausgebrochen. Und ich glaube, das muss man ihr guthalten. Sie wollte zeigen, dass das Deutschland des 21. Jahrhunderts ein anderes Deutschland ist als das des 20. Jahrhunderts. Ich glaube, mit allen Schwierigkeiten, auch wenn heute eine Partei im Bundestag ist, die auch uns kleinen Luxemburgern etwas Angst einflößt, Sie müssen sehen, dass in einem Land wie unserem, auch in anderen Ländern, man schon seit etlichen Jahrzehnten mit Le Pen, nicht lebt, aber mein weiß, dass es da Bremsen gibt. Das, was jetzt neu im Bundestag ist, ist zum Teil Neuland. Ich war vor ein paar Monaten in Berlin bei der Frau, die das Holocaust-Denkmal durchgesetzt hat, Lea Rosh. Und sie hat mir erzählt, es gibt offizielle Vertreter, gewählte Menschen dieser AfD, die sagen, dieses Holocaust-Denkmal wäre ein Schandmal. Das ist schon etwas, wo ich glaube, dass ihr in Deutschland die Kraft aufbringen müsst, und da sind viele Europäer die werden euch helfen, damit das sehr beschränkt in der Zeit ist, was diese Partei darstellt und sich sehr schnell wieder verflüchtigt.

Christian Frietsch: Jean Asselborn, Sie sind nicht nur Außenminister, Sie sind Sozialdemokrat, Sie waren auch Vizepräsident der europäischen Sozialdemokraten. Gibt es denn überhaupt eine Zukunft für die Sozialdemokraten?

Jean Asselborn: Also es gab schon Zeiten, da hätten wir, wenn wir uns in Europa gesehen haben, unsere Konferenzen in einer Telefonkabine abhalten können. Die Zeiten kommen jetzt irgendwie zurück, aber sie sind auch wieder gegangen. Wir sind in einer Delle, aber ich gebe nicht auf. Ich glaube, im 21. Jahrhundert muss die Sozialdemokratie nur eine Linie zeigen, die in der Gesellschaft verstanden wird. Sozialdemokratie, Sie wissen das, in Luxemburg ist das nicht anders als in Deutschland, der Arbeiter, was ja unsere Basis war, hat sich gewandelt. Ich glaube, die Arbeiterschaft ist nicht mehr heute im 21. Jahrhundert die Arbeiterschaft der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber ich glaube, die Gedanken, die die Sozialdemokratie transportiert, sind noch immer die richtigen Gedanken, die in diese Gesellschaft hineinpassen und die wir brauchen, um die Gesellschaft so zu gestalten, dass sie eben nicht in diese Fehler fällt, über die wir eben gesprochen haben.

Christian Frietsch: Jean Asselborn, jetzt muss ein Stichwort fallen: Donald Trump. Sie sind vorhin relativ gelassen aus ihrem Wagen ausgestiegen, aber ich habe schon gesehen, da ist noch irgendetwas anderes im Busch als nur das 11. Pierre Pflimlin Symposium und das Goldene Coeur de l’Europe. Wie geht es jetzt weiter? Wenn die New York Times richtig berichtet hat, dann ist das Abkommen gekündigt oder wird gekündigt. Man weiß als einfacher Mieter oder Vermieter, man hat einen Vertrag, da steht irgendwas drinnen und man versucht, sich daran zu halten. Für dieses Atomabkommen muss es doch eine Laufzeit geben, eine Kündigungsfrist. Wie gehen sie jetzt voran, die Außenminister in Europa?

Jean Asselborn: Journalisten haben immer eine Länge Vorsprung vor den Politikern. Das ist so. Aber was ich weiß, Sie wissen vielleicht mehr, um 8 Uhr unserer Zeit wird der Tweet erwartet. Das ist heute so. Aber egal, Tweet oder nicht Tweet, es ist wirklich nicht zum Lachen was geschieht mit Iran − und die Iraner sind keine Messdiener, das ist ganz klar − aber was wir als Europäer wirklich wollten ist, dass wir den Iran daran hindern, eine Atombombe zu haben. Das war das Ziel. Daran haben wir als Europäer fast 13 Jahre gearbeitet. Warum wir Europäer? Wenn Sie schauen, wo der Iran liegt, ziemlich nahe an Europa. Ein paar tausend Kilometer. Ziemlich weit weg von Donald Trumps Erde. Da braucht man schon Interkontinentalraketen, während man um Europa zu erreichen, nur Kontinentalraketen braucht. Also, die Sicherheit Europas ist mehr gefährdet, wenn Iran Atombomben hat, als die von Amerika. Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass wir wussten, dass wir durch dieses Abkommen den Iran nicht ändern können, wir wussten aber auch − und da sollte man auch die Einsicht haben − elfmal hat die UNO-Agentur in Wien gesagt, dass sich der Iran an das Atomabkommen hält. Elfmal. Wir wissen, da hat Trump Recht, dass die Außenpolitik des Iran nicht der entspricht, die wir haben wollen. Weder in Syrien mit der Hisbollah, noch mit der Unterstützung der Huthis im Jemen und so weiter und dass auch die ballistische Komponente der iranischen Politik nicht die beste ist. Aber unser Ziel war ja, mit den Amerikanern, mit Obama, dass man dieses Atomabkommen bekommt, dass man zugleich die Wirtschaftsentwicklung vergrößert, um auch den Menschen im Iran zu zeigen, dass es auch andere gibt wie le Barbu, die Unmoderaten im Iran, dass man den Iran öffnen könnte und dass man so über wirtschaftliche Beziehungen auch Einfluss bekommt auf die Außenpolitik des Iran. Das war unser Ziel. Das kann heute Nacht zerschlagen werden. Das Problem ist nicht nur im Iran. Glauben Sie mir, wenn der Iran eine Atombombe bauen kann, die Anreicherung von Uran wird sehr schnell wieder voranschreiten, dann werden auch andere Länder in dieser Region nachziehen. Denken Sie an die Türkei, denken Sie an Ägypten, denken Sie an Saudi-Arabien und andere. Wir haben eine Spirale der nuklearen Aufrüstung. Das kann die Welt nicht sicherer machen. Ich glaube, hier geht es um das Prinzip, das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, nämlich das Multilaterale. Die Weltordnung war aufgebaut auf das Multilaterale, dass wir zusammen als Gemeinschaft etwas fertigbringen. Übrigens kann ich Ihnen sagen, dass Trump jetzt Kim Jong Un sehen wird, diese Bedingung ist geschaffen worden dadurch dass die UNO, also die Essenz des Multilateralen, funktioniert hat, dass der Druck auf dieses Regime so stark wurde, dass sie umdenken müssen. Und Herr Trump darf das nicht vergessen. Wenn alles nur aufgebaut ist auf dem Gesetz des Stärkeren und nicht mehr die Stärke des Gesetzes gilt, dann gehen wir in eine falsche Richtung.

Christian Frietsch: Wenn wir dies als Nagelprobe sehen, Herr Außenminister, für unsere europäischen Strukturen. Da stehen 27 oder 28 Außenminister oder Regierungschefs und da sitzt oder steht ein Herr Trump gegenüber. Fühlt sich dann so ein einzelner Außenminister, ob er aus Deutschland, Luxemburg oder anderswo herkommt, alleine gelassen? Wirken denn die Strukturen, kann man so schnell gemeinsam zu einer Entscheidung kommen oder läuft einem einfach die Milch weg und Donald Trump bleibt der, der er ist, er geht irgendeinen Weg, ob der sinnvoll ist oder nicht?

Jean Asselborn: Also mit rationaler menschlicher Vernunft − ich glaube, Sie haben die Vernunft angesprochen − ist das unmöglich, was da geschieht. Unmöglich, aber es geschieht. Damit hat die Welt sich abzugeben. Wir können nur als Europäer wirklich sehr stark trotzdem noch versuchen Einfluss zu nehmen. Wir haben zum Beispiel in der Iran-Frage − und ich glaube erst was geschieht, wenn ich es sehe heute Abend − versucht, mit den Amerikanern zu verhandeln und zu sagen, wir sind bereit, die Sanktionen gegenüber dem Iran heraufzusetzen, zum Beispiel, wenn ihr bereit seid, diesen Deal nicht kaputtzumachen. Aber wenn Sie mich fragen, Sie haben vielleicht die Bilder noch im Kopf, als Trump das erste Mal bei der NATO war, ist er ein wenig uneleganter mit seinen Kollegen umgegangen als Sie mit mir. Wenn man die Präsidenten in Amerika anschaut, Obama, Clinton, mit Bush gab es einige Probleme, das wissen Sie, aber nie diese Diskrepanz, die jetzt besteht. Und ob man da ein großes Land oder ein kleines Land ist, die Menschheit leidet darunter und ich hoffe nur, dass es genug Menschen in den USA gibt, die trotzdem versuchen, Einfluss auf ihn und diesen inneren Circle zu haben, damit wir nicht alles kaputtschlagen, was aufgebaut wurde und was notwendig war. Nehmen Sie die Klimakonferenz, nehmen Sie internationalen Handel, das Doha-Abkommen und so weiter, alles ist im Wackeln. Ich weiß eigentlich nicht, was das Große ist, was bis jetzt unter dem Präsidenten Donald Trump für die Menschheit und für das Zusammenleben auf dieser Erde positiv aufgebaut wurde.

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