Gastkommentar

Richtige Weichenstellung in der Berufsorientierung – Für Jugendliche wie für Unternehmen die Entscheidung für eine gute Zukunft – Gastkommentar von Wolfgang Grenke

Richtige Weichenstellung in der Berufsorientierung – Für Jugendliche wie für Unternehmen die Entscheidung für eine gute Zukunft – Gastkommentar von Wolfgang Grenke
Wolfgang Grenke, Präsident der IHK Karlsruhe, der BWIHK, Vize-Präsident von Eurochambres und Gründer der Grenke AG. Foto: Archiv

Baden-Baden, 03.07.2020, Bericht: Redaktion In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt, der Künstler und Aktivist Gerd Weismann und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Wolfgang Grenke, geboren 1951 in Baden-Baden, gestaltet als Präsident der IHK Karlsruhe, des Baden-Württembergischen IHK-Tags und als Vize-Präsident von Eurochambres politisch mit und setzt sich über die Förderung von Abkommen und Projekten unter anderem für die duale Ausbildung, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes sowie einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in Europa ein.

Wolfgang Grenke hat die Zeit der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg selbst miterlebt und als Unternehmer mit Sitz der GRENKE AG in Baden-Baden und Schiltigheim mitgeprägt. Die Grenke AG ist heute in 33 Ländern weltweit vertreten. Wolfgang Grenke ist seiner Heimatstadt treu und engagiert sich als Stifter mit dem Kulturhaus LA 8 und dem Festspielhaus sowie in der Unterstützung der Ooser Schachgesellschaft Baden-Baden.

Kommentar: Wolfgang Grenke Jeder von uns steht in seinem Leben vor mehreren Bildungsübergängen: Vom Kindergarten in die Schule, von der Grundschule zur weiterführenden Schule, beim Übergang von der Schulzeit in eine berufliche Ausbildung oder ein Studium und anschließend in das Berufsleben.

Wie gut diese Bildungsübergänge gelingen, beeinflusst maßgeblich die jeweiligen Bildungsbiografien. Es sind entscheidende Weichenstellungen für den Bildungserfolg, den Start in das Berufsleben und die gesellschaftliche Teilhabe.

Eine optimale Weichenstellung am Übergang von der Schule zum Beruf ist für Jugendliche von großer Bedeutung. Die Folge einer falschen Weichenstellung kann sein, dass diese jungen Menschen zunächst in die falsche Richtung gehen. Eine Abwärtsspirale von Ausbildungsabbruch beziehungsweise Studienabbruch bis hin zur Arbeitslosigkeit könnte die zu befürchtende Konsequenz sein. Das ist wertvolles Erwerbspersonenpotenzial, das nicht nur den Unternehmen verloren geht oder erst später zur Verfügung steht. Diese Konsequenz hat auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Am Übergang von der Schule zum Beruf dürfen wir niemanden verlieren. Daher ist es wichtig, dass junge Menschen in die Lage versetzt werden, ihre persönlichen Weichen richtig zu stellen. Sie brauchen individuelle Unterstützung der Eltern, der Schule und der Akteure, die sich mit Berufsorientierung, Ausbildungsplatzvermittlung und Beratung in den Übergangssystemen beschäftigen.

Vor allem auch bei uns am Oberrhein muss der Blick in Europa über die eigenen Landesgrenzen hinausgehen. Unsere Region auf deutscher und französischer Seite des Rheins ist ein natürlicher Lebens- und Wirtschaftsraum der Menschen. Hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich und Fachkräftemangel in Deutschland sollten da kein Gegensatz sein. Das sich daraus ergebende Potential für beide Seiten muss durch politisches Handeln geweckt werden. Hierzu brauchen wir ganz klar mehr europäische Abstimmung. Die Rahmenbedingungen in der rheinüberschreitenden Zusammenarbeit müssen wir so festlegen, dass sie den Menschen helfen, sich zu entwickeln. Sie dürfen durch das Korsett nationaler Überregulierung auf der einen oder der anderen Seite des Rheins nicht eingeengt werden.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kommen derzeit mit voller Wucht am Ausbildungsmarkt an. Rund ein Drittel der Ausbildungsbetriebe wird gar nicht mehr oder weniger ausbilden als im Vorjahr. Das hat eine aktuelle Befragung des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) unter mehr als 3.300 Ausbildungsbetrieben im Land ergeben. Das sorgt für Verunsicherung bei den jungen Menschen, die sich gerade in Ausbildung befinden oder die in diesem Jahr mit einer dualen Berufsausbildung in ihr Berufsleben starten wollen beziehungsweise wollten.

Es ist auch für viele Betriebe eine schwierige Situation. Sie haben aktuell mit Liquiditätsengpässen oder Umsatzrückgängen zu kämpfen und müssen doch an morgen denken, um jetzt die Weichen richtig zu stellen.

Daher ist das Bundesprogramm «Ausbildungsplätze sichern» aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Ansatz. Denn alle diejenigen, die heute nicht ausgebildet werden, fehlen in den Betrieben als qualifizierte Fachkräfte, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt. Mit dem Bundesprogramm &lauqo;Ausbildungsplätze sichern» hat die Bundesregierung ein Hilfsprogramm für kleine und mittelgroße Ausbildungsbetriebe auf den Weg gebracht, um in der Corona-Krise Ausbildungsplätze zu sichern. Finanziell unterstützt werden sollen Unternehmen, die trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihre Ausbildungsplätze erhalten oder ausbauen. Ausbildungsbetriebe, die ihre Aktivitäten auch in der Krise fortsetzen und für Auszubildende sowie deren Ausbilder keine Kurzarbeit anmelden, werden besonders unterstützt. Gefördert werden auch Betriebe, die Auszubildende übernehmen, deren Unternehmen die Ausbildung pandemiebedingt übergangsweise nicht fortsetzen können beziehungsweise die pandemiebedingt Insolvenz anmelden mussten.

Wir müssen den Jugendlichen am Übergang von Schule zum Beruf jetzt Mut machen. Viele Jugendliche machen sich Gedanken über ihre Zukunft. Die Corona-Pandemie hat einiges durcheinandergewirbelt und vieles scheint unsicherer geworden zu sein. Klar, dass jetzt der Wunsch nach beruflicher Sicherheit besonders groß ist. Eine duale Ausbildung kann gerade jetzt genau der richtige Weg sein. Hinzukommt, dass Auszubildende einen besonderen Kündigungsschutz genießen.

Die duale Ausbildung in Deutschland ist seit Jahrzehnten ein erfolgreiches Modell, um das uns viele andere Länder weltweit beneiden. Gerade in meiner Funktion als Vizepräsident der europäischen Kammerorganisation Eurochambres bekomme ich hier aufschlussreiche Einblicke, wie es in anderen Volkswirtschaften funktioniert. Die deutsche Wirtschaft wird sich nach und nach erholen. Dann benötigen die Unternehmen Fachkräfte.

Eine duale Ausbildung bereitet aus meiner Sicht geradezu optimal auf die Ausübung der späteren beruflichen Tätigkeit vor, weil sie während der Ausbildungszeit Theorie und Praxis eng miteinander verzahnt.

Hinzu kommt, dass ein Ausbildungsbetrieb hinter den Jugendlichen steht. Das gibt Sicherheit. Denn die Unternehmen investieren nicht nur Zeit und Geld, um Jugendliche zu Fachkräften auszubilden. Sie unterstützen die Jugendlichen auch während der Ausbildungszeit, wenn es mal weniger gut läuft. Denn sie bilden zum Großteil aus, um die Fachkräfte anschließend im eigenen Betrieb zu übernehmen, weil sie innerhalb der Ausbildungszeit Betrieb, Kollegen und Abläufe bestens kennengelernt haben.

Viele Unternehmen waren in den vergangenen Monaten auf Grund des Coronavirus sehr mit sich selbst beschäftigt und hatten weniger Zeit für das Azubirecruiting. Das wird jetzt nachgeholt. Das Ausbildungsjahr 2020 startet ganz normal im September und die Chancen auf einen Ausbildungsvertrag sind vielversprechend. In der TechnologieRegion Karlsruhe sind laut IHK-Lehrstellenbörse noch mehr als 1.000 offene Ausbildungsplätze für 2020 eingetragen. In den vergangenen Jahren haben die Unternehmen im IHK-Bezirk Karlsruhe deutlich mehr Ausbildungsplätze angeboten als von Jugendlichen nachgefragt worden sind. Das wird sich nun vermutlich relativieren. Durch viele offen gebliebene Lehrstellen aus den Vorjahren kann man aber trotzdem optimistisch sein, dass jede und jeder interessierte Jugendliche weiterhin einen Ausbildungsplatz in unserer Region bekommen kann.

Auf die richtige Weichenstellung kommt es an. Aus meiner Sicht sollten wir die Weichen so stellen, dass sich die Wege von Unternehmen und Jugendlichen kreuzen – für eine gute Zukunft.


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