Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ - zu „Badisches Tagblatt drohen Konflikte“ auf goodnews4: „Wer ist denn nun der rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks Stephanienstr. 5?“
Baden-Baden, 03.09.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht «Badisches Tagblatt» drohen Konflikte − Israelitische Religionsgemeinschaft erwägt rechtliche Schritte wegen Synagogen-Grundstück − Rami Suliman: «Wenn nötig, durch alle Instanzen, um Würde des Ortes wiederherzustellen».
Wem zahlt das Badische Tagblatt die Miete für den von ihm genutzten Parkplatz auf dem Grundstück der 1938 niedergebrannten Synagoge? Um die Frage zu klären und die Wahrheit zu finden, bedarf es sicher eines Einblicks in das Grundbuch. Bekannt ist, dass Werner Hambruch 1955 das Grundstück als Geschäftsführer der Firma «Ernst Koelblin Hofdruckerei, Baden-Baden» erworben hat. Nur: die Hofdruckerei Koelblin gibt es wohl nicht mehr, auch wenn der Name noch über dem Eingangstor in der Stephanienstr. 3 prangt. Also: Wem gehört denn nun das Grundstück?
Eigentumsverhältnisse, geschäftliche wie auch persönliche Verbindungen werden seit Generationen von den Familien Hoellischer − Koelblin − Hambruch − Ertl verschleiert. Auf meine Frage vom 16.6.2018 «Wer war Dr. med. Ottoheinz Ertl?», erhielt die Redaktion von goodnews4 jedenfalls kaum Antworten. Merkwürdig, dass nicht einmal Frau Eva Marie Luise Ertl, geb. Hambruch sich dazu geäußert hat. Schließlich war sie die Ehefrau des 1970 verstorbenen Dr. Ertl. Mochte sich auch ihre Schwester Yvonne Monika Else Lonny − vormals Richters, heute Hambruch-Piesker nicht mehr so gerne an den Schwager erinnern? Was soll hier eigentlich alles vertuscht werden?
Die Geschichte des Badischen Tagblatts kann uns da etwas weiterhelfen. 1961 erschien die Festschrift «150 Jahre Badisches Tagblatt − Ernst Koelblin KG Druckerei und Verlag in Baden-Baden». Den Leitartikel schrieb der geschäftsführende Gesellschafter der Hofdruckerei Ernst Koelblin KG, der Verleger Werner Hambruch: «Da lehnte ein Gericht … das Gesuch ab, in unserer Stadt eine Druckerei zu eröffnen, mit der Begründung, daß es für die Zensur desto leichter sei, je weniger gedruckt würde!» Das klingt noch sehr ehrenhaft, aber was ist die staatliche Zensur im Vergleich mit einem Hauptschriftleiter wie Karl-Heinz Lembke beim BT, der die gesamte Redaktion am kurzen Zügel hielt? Im Zuge der Gleichschaltung der Presse nach 1933 und der Mitgliedschaft des BT in der Reichsschrifttumskammer verliert die Anekdote über die Zensur an Brisanz und auch an journalistischer Glaubwürdigkeit, oder?
«… und schließlich nach Überwindung des traurigsten Tiefstandes nach 1945 − auf eine achtbare Höhe zu führen.» Merkwürdig, dass das Ende Hitler-Deutschlands und die Befreiung von der Diktatur von Werner Hambruch als «traurigster Tiefstand» bezeichnet werden, oder was soll die Formulierung bedeuten? «Die Zeitung ist geblieben. Unbestechlichkeit zeichnete sie eineinhalb Jahrhunderte aus … [Das BT] … ist in der Lage, seinen Pflichten gegenüber dem großen Leserkreis auf allen Gebieten des wirtschaftlichen, kulturellen und heimatlichen Lebens im verstärkten Maß gerecht zu werden.» So der Verleger über seine Zeitung und sich selbst.
Klingt das nicht in der Rückschau nach Anbiederung an das NS-Regime? Wieso erschien denn seit 1941 das BT täglich im «Mantel» des „Völkischen Beobachters“? Baden-Baden wurde am 12. April 1945 französische Besatzungszone und ab dem 2. August 1945 erschien die Zeitung wieder. Das ging aber fix …. − «Corriger la fortune?»
Dem Ende dieser geschichtlichen Entwicklung ist Hermann Koelblin durch seinen Tod am 1.6.1943 entgangen. Er kam 1903 in die Betriebsführung von Badischem Tagblatt und der Badezeitung. «Er hatte in München, Berlin und Freiburg Rechtswissenschaften studiert, wurde 1903 Stadtverordneter, 1911 Stadtrat, Mitglied des Kurausschusses und von 1909 bis 1921 Landtagsabgeordneter.»
Und zwar für die Deutsche Demokratische Partei, die linksliberal und seit 1918 Nachfolger der fortschrittlichen Volkspartei war. Vor der Wahl 1930 vereinigte sie sich mit der Volksnationalen Reichsvereinigung, die zum nationalistischen und antisemitischen Jungdeutschen Orden gehörte, wurde dann zur Deutschen Staatspartei und 1933 aufgelöst. 1911 war Hermann Koelblin im Vorstand des Vereins südwestdeutscher Zeitungsverleger, ab 1923 deren Vorsitzender, 1933 wurde er Ehrenmitglied. Von 1928 bis 1933 war er Großmeister der großen Provinzialloge Zur Sonne. Soweit die Lücke im Lebenslauf des Hermann Koelblin in der Jubiläumsausgabe des BT.
«Max Koelblin, der Bruder, starb 1918 an Kriegsverletzungen. Söhne zur späteren Betriebsübernahme fehlten. Dann trat 1927 Bankdirektor Werner Hambruch in die Firma ein.» Am 1.6.1943 starb Hermann Koelblin, wie die Tageszeitung «Der Führer», Karlsruhe am 2.6.1943 vermeldete.
«Am 1.6.43, um 10.45 Uhr vormittags verschied nach kurz. Schw. Krankheit mein herzensgt. inniggeliebt. Mann … Hermann Koelblin … B-Baden, Stefanienstr. 3, … Die Kremation findet am Donnerstag, 3.6.43, nachm. 3 Uhr statt. Die Firma Ernst Koelblin, KG betrauert … ihren hochverehrten Seniorchef … Führer und Gefolgschaft der Firma … Neues Badener Tagblatt»
Führer? Damit sind wohl der Verleger Hambruch und sein Hauptschriftleiter Karl Heinz Lembke gemeint, Gefolgschaft sind die Mitarbeiter von Verlag, Redaktion und Druck.
Die Familie Hambruch und ihre Nachkommen beweihräuchern sich selbst, «… ihr Leben einer wertvollen, immer gültigen Aufgabe zu widmen». Es gab wieder keine Söhne und so nahm wohl Eva Ertl, geb. Hambruch, 1974 nach dem Tod ihres Vaters das Zepter hart und kompromisslos in die Hand, denn wie soll man sonst die Ignoranz erklären, wie sie sich am ursprünglichen Eigentum der jüdischen Gemeinde Baden-Baden festhält ohne jede Gesprächsbereitschaft erkennen zu lassen.? Oder gibt es etwa schon (Bebauungs-)Pläne für das Synagogengrundstück, wenn Verwaltung und Redaktion des BTs in ca. zwei Jahren umziehen? Ist die Verlegerfamilie Hambruch / Ertl wirklich so ehrenwert, dass sie sich erfolgreich den laufenden Restitutionsverfahren in aller Welt für die enteigneten Juden im 3. Reich, wortlos entziehen kann? Das wird man fragen müssen, oder?
Gertrud Mayer
Baden-Baden
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