Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ zu „Klinikum Mittelbaden gibt Erklärung ab“ - „Bad-Bad: Kalte Herzen in Baden-Baden!“

Baden-Baden, 21.03.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Kurt Krause Stellung zu den goodnews4-Berichten Klinikum Mittelbaden gibt Erklärung ab − Geschäftsführer Jürgen Jung: «System in Deutschland ist so aufgebaut, dass der Notarzt entscheidet in welches Krankenhaus er fährt» und OB Mergen zieht Notbremse bei Synagogenfrage − Ruben Schuster: «Kalte und herzlose Absage der OB» − IRG-Chef Rami Suliman pocht auf Vertragserfüllung durch Eigentümer des BT-Parkplatzes.

Starb ein Mensch, weil der Notarzt kein geeignetes Krankenhaus für seinen Infarkt-Patienten fand? Bühl und Balg waren für diesen Notfall nicht entsprechend ausrüstet, Rastatt hatte einen Linksherzkatheter, aber keine freie Kapazität für eine Beatmung des Patienten. Folgt man der Erläuterung von Geschäftsführer Jürgen Jung vom Klinikum Mittelbaden, ist niemand schuld, weil das System in Deutschland so ist, wie es ist. OB Mergen und Landrat Bäuerle, Vorsitzende des Aufsichtsgremiums waren vermutlich in Schockstarre gefallen − denn von politischer Seite herrschte «das große Schweigen». Vermutlich liegt die Schuld beim Toten, denn bei einer Grippewelle geht man nicht zu Massenveranstaltungen, vor allem dann nicht, wenn man sich dort aufregt. Damit würde aber von der Unterkapitalisierung des Klinikums Mittelbaden abgelenkt. Die vorhandene Bettenkapazität der Notaufnahme ist wegen ökonomischer Optimierung äußerst knapp kalkuliert − und das ist eine politische aber keine menschenwürdige Entscheidung der Mitglieder des Verwaltungsrates. Geld oder Leben!

Weitere Ereignisse sind auch befremdlich. Seit Jahren ist die jüdische Gemeinde in Baden-Baden auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück für die Neu-Errichtung der verbrannten Synagoge. OB Mergen (CDU) hatte nicht einmal Mitgefühl, obwohl geeignete städtische Grundstücke vorhanden sind, um das Problem zu lösen. OB Mergen verdrängt wohl, dass sie in der historischen Nachfolge von Oberbürgermeister Pg. Schwedhelm, Bürgermeister Pg. Bürkle und OB Schlapper steht und damit sehr wohl ein «stakeholder» bei der notwendigen Neuerrichtung der Synagoge am angestammten Platz, Stephanienstr. 5, ist. Ruben Schuster erklärte, wenn die Synagoge am Autobahnzubringer gebaut werde, sei dies «ein Ergebnis der kalten und herzlosen Absage der Oberbürgermeisterin». Hat «unsere» OB Mergen ein Herz aus Stein oder fehlt es ihr einfach an Moral und Anstand?

Die Herausgabe des Grundstücks ist natürlich in erster Linie von der Familie Koelblin-Hambruch, ehemals Hofdruckerei, Stephanienstr. 3, zu fordern. Dort sitzt heute das Badische Tagblatt in angemieteten Räumen. Eigentümer der Immobilien sind die Erben von Herrn Hambruch. Hambruch hatte 1955 das Grundstück, auf dem die von Nazis, SA und SS niedergebrannte Synagoge stand, von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden für 50.000,00 DM erworben, die es ihrerseits von der Stadt Baden-Baden erhalten hatte. War das ein gutgläubiger Erwerb des Grundstücks oder letztlich doch mit Blut befleckte Hehler-Ware? Die Hambruch-Erben, Ertl, Hambruch-Piesker und Richters sehen sich wohl nicht in der Nachfolge des Mannes, der mit dem Badener Tagblatt und seinen Adressbüchern für den heutigen Betrachter eine fatale Nähe zum Baden-Badener Ehrenbürger Adolf Hitler annehmen lassen könnte. Die Abfuhr auf eine Gesprächsanfrage der jüdischen Gemeinde war jedenfalls seitens des BT-Geschäftsführers Hoffarth noch kälter als die von OB Mergen. «Die Gräuel der Nazizeit hätte man nicht gewusst», sagte man gern nach dem Krieg. Dieser Verdrängungsmechanismus greift im Zeitalter der Digitalisierung aber nicht mehr, wenn der Kopf voller Informationen ist, es dem Herzen aber an Empathie mangelt.

Das BT ist wirklich ein lokales Blättchen, das sich oft mit dem Wind dreht und in dem einige nett aussehende Leute mit einem Weinglas in der Hand für einen verstärkten Alkoholkonsum werben. Potzblitz, in erster Linie steht Ratsherr Bloedt-Werner (CDU). Der ist mir in schlechter Erinnerung geblieben, als hartnäckiger Leugner der vom 1000-Füssler auf die Anwohner der Wörthstraße herabsinkenden Feinstaubbelastung. Das grenzt beinahe an Hurra-Patriotismus, wie er sich nun − mit Schreiben an OB Mergen − für das geplante DRK-Heim in der Hubertusstraße einsetzt. Bloedt-Werner ist − wie bei ihm, vermutlich wegen seiner christlichen Nächstenliebe und seiner Freundschaft mit Herrn Mussler und der IDEAL-WOHNBAU nicht anders zu erwarten − ein Befürworter vieler Bauprojekte in Baden-Baden. Im Fall Hubertusstraße steht er dem Geschäftsführer des DRK, Herrn Kohte, nicht nach, der von dem Grundstück unter dem Autobahnzubringer begeistert war. Alte und Kranke haben wohl jedes Recht auf ein menschenwürdiges Dasein verloren oder soll das ein Beitrag zur Entlastung der Rentenversicherung werden? Ein Triumpf der Ökonomie über die Menschlichkeit!

Vor 200 Jahren veröffentlichte Wilhelm Hauff die Erzählung «Das kalte Herz» im «Märchenalmanach auf das Jahr 1828». Die Geschichte beginnt: «Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der Bäume wegen, … sondern wegen der Leute.» Peter Munk ist ein armer Köhler, der davon träumt, einmal ein reicher Mann zu werden. Diesen Wunsch erfüllt ihm zunächst ein Glasmännlein, aber die Geschäfte laufen nicht so gut. In seiner Not verkauft er sein Herz an den Holländer-Michel und erhält dafür ein Herz aus Stein. Er erfährt, dass auch viele andere «große Persönlichkeiten&rauqo; des Schwarzwaldes ihre Herzen bei Michel gegen den schnöden Mammon eingetauscht haben. Peter baut dann ein riesiges Haus im Schwarzwald und arbeitet fortan als Händler und Geldverleiher. Würde Hauff dieses Märchen heute ebenso schreiben? Auch nach 200 Jahren und auch in Baden sind die Aussagen noch gültig. Hauff würde dieses Märchen heute sicher genauso schreiben oder sich sogar noch schärfer ausdrücken. Das Glasmännlein − das gute Gewissen der Menschen − ist längst gestorben. Muss das wirklich so bleiben?

Kurt Krause
Baden-Baden


Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.

PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.