goodnews4-VIDEO-Interview zum Jahreswechsel

FDP-Stadtrat Rolf Pilarski kritisiert "Geldausgeben" im Baden-Badener Rathaus - Und in Berlin: "Politik von Frau Merkel hat nicht sehr viel mit der konservativen Seite der CDU zu tun"

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goodnews4-VIDEO-Interview zum Jahreswechsel von Nadja Milke mit Rolf Pilarski

Baden-Baden, 04.01.2018, 15:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Rolf Pilarski führt zumindest parteipolitisch ein ziemlich einsames Dasein im Baden-Badener Gemeinderat. Nach den großen Zeiten von anno dazumal mit der liberalen Ikone Olaf Feldmann, schrumpfte die FDP im Baden-Badener Gemeinderat zur Ein-Mann-Partei. Den 2014 auf dem FDP-Ticket in den Gemeinderat gewählten Sven Jäger zog es schnell zur einflussreicheren CDU und Stadtrat Hans Schindler steht zwar auf der FDP-Liste, gehört der Partei aber nicht an.

Dennoch schafft es der tapfere FDP-Mohikaner Rolf Pilarski, sich immer wieder Gehör zu verschaffen. Trotzdem gibt er eine zurückhaltende Zensur für sich und seine kleine FDP-Gruppe. «‘Befriedigend’ würde ich uns ausstellen», beurteilt er die Arbeit mit einer Schulnote. Rolf Pilarski sieht sich selbst am liebsten in der Rolle des Contrôleur de Gestion für den Baden-Badener Haushalt, der auf die 300-Millionen-Euro-Marke zusteuert. Und er sieht in seiner FDP einen strengen Wächter über das Geld, das ja bei den Bürgern eingetrieben wird. «Wir sind vielleicht nicht so, sag ich mal, offenherzig, was Geldspenden angeht, also Geldausgeben», verklausuliert er seine Kritik an mancher Sorglosigkeit beim Umgang mit dem Geld der Steuerzahler im Rathaus. Zuletzt erkennbar bei jahrelang nicht kritisch betrachteten Auffälligkeiten bei Angeboten durch dem Rathaus nahestehende Baufirmen.

Dennoch sieht der FDP-Stadtrat die beste Nachricht für Baden-Baden in 2017 bei den Finanzen und «dass die Prognose über diese schlechten Ergebnisse im Doppelhaushalt sich überhaupt nicht bewahrheitet haben». Insbesondere die erfolgreichen Baden-Badener Unternehmen mit zweistelligen Millionenbeträgen in Form von Gewerbesteuern halten die Finanzlage im Rathaus über Wasser. Das weiß auch Rolf Pilarski und er hat bei seinen Mahnungen wohl auch kommende Zeiten im Auge, wenn die Steuergelder weniger temperamentvoll sprudeln könnten.

Die schlechteste Nachricht im zurückliegende Jahr war für Rolf Pilarski die Aufdeckung des Bauskandals am Leopoldsplatz durch goodnews4, «dass Sie mit Ihrer Berichterstattung Recht hatten und bei der Leo-Vergabe, beziehungsweise bei der Projektsteuerung Leo, und aber auch bei dem Wettbewerbsverhalten der Firmen nicht alles mit rechten Dingen zuging und nicht alles gesetzestreu war». Trost für den Haushaltspolitiker Rolf Pilarski wird sein, dass bei den aktuellen Baumaßnahmen am Leo und anderswo in Baden-Baden nun wohl Millionen Euro eingespart werden können.

Im weiteren Verlauf des goodnews4-VIDEO-Interviews zum Jahreswechsel blickt Rolf Pilarski dann noch über den Baden-Badener Horizont ins übrige Deutschland in die Welt hinaus.


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews zum Jahreswechsel mit Rolf Pilarski:

goodnews4: Rolf Pilarski, nach einem Schuljahr gibt der Lehrer seinen Schülern eine Note. Macht es denn Sinn, sich selbst eine Note zu geben für das zurückliegende Jahr? Und wenn ja, was für eine Schulnote hätte denn die FDP im Baden-Badener Gemeinderat aus Ihrer Sicht verdient?

Rolf Pilarski: «Befriedigend» würde ich uns ausstellen. Wir hätten Dinge besser machen können, aber haben auch ein paar Hausaufgaben erledigt. Also eine «3» wäre gerechtfertigt, denke ich.

goodnews4: Was hat die FDP besser gemacht als andere und was vielleicht nicht so gut?

Rolf Pilarski: Wir sehen natürlich immer die wirtschaftlichen Aspekte. Wir sehen Nachhaltigkeit im Vordergrund. Wir sind vielleicht nicht so, sag ich mal, offenherzig, was Geldspenden angeht, also Geldausgeben. Wir vertagen das lieber auf den Moment, wo man das Geld hat, was man ausgeben will, und überlegen uns die Projekte vielleicht doch lieber ein bisschen länger und dafür gründlicher, als es vielleicht andere machen.

goodnews4: Was war denn für Sie die beste und was war die schlechteste Nachricht in Baden-Baden im Jahr 2017?

Rolf Pilarski: Die beste Nachricht in 2017 war natürlich die Haushaltsinformation, also die Information über den Haushaltsvollzug, dass die Prognose über diese schlechten Ergebnisse im Doppelhaushalt sich überhaupt nicht bewahrheitet haben. Schlecht war eigentlich die Nachricht, dass Sie mit Ihrer Berichterstattung Recht hatten und bei der Leo-Vergabe, beziehungsweise bei der Projektsteuerung Leo, und aber auch bei dem Wettbewerbsverhalten der Firmen eben nicht alles mit rechten Dingen zu ging und nicht alles gesetzestreu war. Das fand ich schon schlimm, damit hatte ich nicht gerechnet.

goodnews4: Beim Blick hinaus in die Welt gibt es einige Sorgen. Wenn Sie sich zurück erinnern an die letzten Jahre oder vielleicht auch Jahrzehnte, war es dann doch nicht schon immer so? Also bis in die Neunzigerjahre gab es den Kalten Krieg mit der Bedrohung durch einen Atomkrieg. Danach die Sorge um eine neue Weltordnung. Bilden wir uns dann vielleicht immer nur ein, dass gerade jetzt in diesem Moment der Anlass für Sorgen besonders groß ist?

Rolf Pilarski: Nein, das glaube ich nicht. Die Sorgen und die Probleme der Welt waren immer dieselben. Ich glaube, da können wir 1.000 Jahre zurückgehen. Auch da waren viele Menschen unzufrieden und hatten Angst und waren unsicher. Das, was heute sich zeigt, ist natürlich viel transparenter geworden, dadurch dass wir elektronische Medien haben sind die Leute natürlich viel besser informieren, als sie es zu früheren Zeiten war. Auf der anderen Seite muss man natürlich ganz klar sagen: Wir haben nicht mehr die alte Bundesrepublik. Wir haben nicht mehr die Situation, die ich noch als junger Mensch erlebt habe mit dem Warschauer Pakt, mit der kommunistischen Bedrohung, als die Devise noch hieß: Vorne Verteidigung, ein Einbruch der Warschauer-Pakt-Staaten über das norddeutsche Becken zu befürchten. Die Situation haben wir heute nicht mehr. Heute werden keine Leute mehr an der Mauer erschossen oder fallen den Mienen zum Opfer. Gleichwohl ist die Nachfolgerpartei, die das zu verantworten hat, im Bundestag und die Kritik kommt aber auch häufig zur FDP, statt über die Partei, die das im Grunde genommen mit zu verantworten hatte. Insofern haben wir nicht mehr die Kultur der alten Bundesrepublik. Da hat sich in meinen Augen, sehr, sehr viel geändert. Die Bundesrepublik ist ziemlich weit unter Merkel nach links gewandert und ich denke, die Politik von Frau Merkel hat nicht sehr viel mit der konservativen Seite der CDU zu tun.

goodnews4: Was sind denn für Sie die drei drängendsten Themen in unserer Welt für die nähere Zukunft?

Rolf Pilarski: Für die Welt ist natürlich ganz wichtig der Frieden. Also wenn wir sehen, dass Syrien so lange den Bürgerkrieg erleben musste und im Vorfeld alle den arabischen Frühling hochgejubelt haben. Der arabische Frühling war meiner Meinung nach eine ganz, ganz große Katastrophe. Wir haben in Nordafrika instabile Verhältnisse. Wir haben in Syrien und den angrenzenden Staaten sehr unstabile Verhältnisse. Es gibt immer noch Nachwirkungen der Folgen des ersten Weltkrieges, als die Bereiche in zwei Einflussphären aufgeteilt wurden, in die französische und die englische. Insofern, so schwierig das als Demokrat zuzugeben ist, waren die Systeme mit Diktatoren an der Spitze stabiler als sie heute mit einer versuchten Demokratie sind. Vielleicht reicht die Ausbildung in den Ländern noch nicht aus, um Demokratie wahren zu können, so wie wir das als Westliche von ihnen fordern würden. Insofern müssen wir dort Hausaufgaben machen, wir müssen helfen, wir müssen die Länder befrieden, wir müssen auch die Bürgerkriege in den Griff kriegen, auch die versteckten. Der zweite Teil wird sein, die Leute auszubilden, damit sie einst in der Lage sein werden, sich selbst zu ernähren, eigene Wirtschaften aufzubauen und nicht nur von anderen Geld zu nehmen, sondern, um von anderen die Hand zu nehmen, um sich selbst zu helfen.

goodnews4: Was müssen wir in Deutschland und in Europa auf den ersten drei Plätzen haben? IT, Klima, soziales Klima? Was sind für Sie die wichtigsten drei Themen in Deutschland und Europa?

Rolf Pilarski: Ich kann dazwischen nicht hierarchisieren. Für mich ist natürlich ein Klima, in dem die Menschen leben können, genauso wichtig wie der soziale Frieden. Denn was nützt uns es, wenn das Klima in Ordnung ist und die Leute sich die Köpfe einschlagen? Wir brauchen also alles. Wir müssen vernünftig dafür sorgen, dass unser Klima möglichst stabil bleibt, wobei natürlich Einflüsse dabei sind. Aber wir dürfen nicht hektisch reagieren. Wir müssen vorbereitet auf die Änderungen sein, die da kommen. Das heißt für mich, Atomausstieg plus Kohleausstieg zur gleichen Zeit ohne Alternativen zu haben, ist unvernünftig. Natürlich müssen wir irgendwann raus aus diesen CO2-Produktionsmaschinen, wir müssen raus aus der Atomtechnologie, aber eben nicht so, wie wir es gemacht haben. Wir müssen es anders tun und insofern, denke ich, spielt also Klima und, ich sage mal, Versorgung der Sicherheit beides eine wichtige Rolle, denn wenn wir keine Wirtschaft mehr haben, wenn wir uns das Essen nicht mehr kaufen können, hilft uns das Klima auch nicht. Dann kommt natürlich noch dazu der soziale Frieden. Wir haben natürlich auch in Deutschland zunehmend Arbeitsverhältnisse, die eben nicht für sozialen Frieden sorgen. Wir haben Situationen gehabt, in denen Schweine nach Deutschland zum Schlachten aus Belgien exportiert wurden und der einzige Grund, warum man das gemacht hat, war, weil die Zerlegungskosten in Deutschland billiger waren, weil Osteuropäer dort hin kamen, in Wäldern gecampt haben und dort für sehr wenig Geld eben die Arbeit verrichtet haben. Wir brauchen natürlich, wenn wir ein offenes Land sind und eine globale Wirtschaft haben, Standards, die von anderen geteilt werden. Für uns reichen 1.000 Euro zum Leben hier in Deutschland nicht. In Bulgarien oder in Rumänien aber durchaus, oder auch in der Ukraine. Da muss man sich als Ökonom natürlich Gedanken machen: Wie kann man solche offenen Systeme so gestalten, dass Frieden herrscht, sowohl in den osteuropäischen Ländern, als auch in den westeuropäischen Ländern? Diese Standards, die so unterschiedlich sind, die muss man verknüpfen und da liegt natürlich die Herausforderung auch bei den Politkern, aber vor allen Dingen bei den Politkern, die über betriebs- oder volkswirtschaftliches Wissen verfügen.

goodnews4: Und schließlich kommen wir wieder zurück in unser schönes Baden-Baden. Was sind hier für Sie die drei drängendsten Themen für 2018?

Rolf Pilarski: Zunächst einmal müssen wir uns auf die Kommunalwahl vorbereiten. Wir haben gerade die Bundestagswahl hinter uns, wir Liberalen sind sehr stolz, wir haben in Baden-Baden ein sehr gutes Ergebnis erzielt, da freue ich mich ganz besonders drüber. Das ist vielleicht auch ein Stück weit ein Feedback auf die Arbeit, die wir im Gemeinderat leisten, also wird die Note «3» draußen auch anerkannt. Wir müssen in der Stadt dafür sorgen, dass wir die großen Projekte besser führen. Wir müssen natürlich auch gesetzteskonform sein. Wir müssen so ausschreiben, wie es sich gehört. Also wenn europäisch ausgeschrieben werden muss, dann muss auch europäisch ausgeschrieben werden. Ich finde nicht, dass es etwas nützt mit der GPA, der Gemeindeprüfungsanstalt, oder mit anderen Institutionen darüber zu diskutieren, was denn jetzt rechtlich richtig ist oder was nicht. Also wenn man den Verdacht hat, dass man Gesetze so oder so, oder Verordnungen so oder so erfüllen muss, dann sollte man das tun und nicht in Diskussionen eintreten. Wie gesagt, wir müssen die großen Projekte besser managen und wir müssen natürlich auf unser Geld achten.

goodnews4: Und das dritte Thema?

Rolf Pilarski: Jetzt müssen Sie mir nochmal auf die Sprünge helfen. Das dritte Thema war?

goodnews4: Was sind für Sie die wichtigsten drei Themen in Baden-Baden für 2018? Wir hatten die Vorbereitung auf die Gemeinderatswahl, wir hatten das Thema Projektsteuerung.

Rolf Pilarski: Das dritte Thema ist für mich auch noch immer die Sicherheit. Wir haben über Sicherheit gesprochen. Es scheint so zu sein, dass dieses Jahr die Einbruchszahlen zurückgegangen sind. Aber als Stadtrat hört man natürlich eine Menge Gespräche, die nicht offiziell verlaufen, und für mich ist doch diese gefühlte Sicherheit in Baden-Baden nicht mehr so, wie sie vielleicht vor zehn Jahren war. Das betrifft vor allen Dingen die Damen in unserer Stadt, die auch im Dunkeln sich zum Teil nicht mehr so sicher fühlen, wie es sich gehört. Wir müssen uns also um die Sicherheit kümmern. Die Oberbürgermeisterin sagte ja, unsere Stadt sei sicher und nicht mal eine Woche später wurde ein Juwelier von vier maskierten Bewaffneten hier mitten in der Stadt am helllichten Tag überfallen. Also ich glaube, im Bereich Sicherheit haben wir auch sicherlich noch Aufgaben zu erfüllen und das muss einer unserer Schwerpunkte sein.

goodnews4: Das Stichwort Gemeinderatswahl haben Sie schon genannt, 2019 ist es soweit. Wettbewerb und Wechsel sind zwei wichtige Kriterien für eine nachhaltige Demokratie. Haben wir davon genug in Deutschland und auch in Baden-Baden?

Rolf Pilarski: Ich persönlich bin der Meinung, dass die Demokratiebeteiligung der Bürger noch verbessert werden kann. Das ist aber vielleicht auch eine sehr tiefgehende Frage, die man da stellen muss: Wie weit kann Demokratie gehen? Denn wenn viele Demokraten sich anschauen, die dann sagen, ach, das sind Stammtischgeschwätz oder Stammtischparolen. An den Stammtischen treffen sich die Deutschen abends nach dem Vereinsleben oder vielleicht auch vorher oder bei den Vereinen. Nehmen wir mal das Stadtbild hier zum Anlass. Dort wird eigentlich Demokratie schon gelebt. Wenn man sagt, dass das Stammtischgeschwätz ist oder wenn man das Niveau dieser Stammtischdiskussion abwertet, dann stellt man sich im Moment auf einen Standpunkt, dass nur die Eliten regieren dürfen und dann haben wir wieder keine Demokratie. Wir müssen also auch auf unsere Stammtische hören, wir müssen auch die Menschen auf der Straße hören und ich finde das ist ganz wichtig. Wir haben ja in der Vergangenheit zwei, drei Beispiele gehabt, wo die Deutschen gar nicht gefragt wurden. Das ist die Wiedervereinigung, wo wir im Westen nicht gefragt wurden. Das ist die Einführung des Euros, wo kein Deutscher eine Stimme abgeben durfte, andere sehr wohl. Die EZB und alle Regelungen, die mit dem Euro verbunden sind, also Kriterien und so weiter, ich finde, da hätte vielleicht ein Deutscher auch was sagen dürfen. Insofern meine ich, gerade bei den wichtigen Entscheidungen, auch was heißt Öffnungen der Grenzen, Wegfall der Grenzkontrollen, freie Zuwanderung innerhalb der europäischen Gemeinschaft im Schengenraum. Ist es das, was die Deutschen wollen, ja oder nein? Also ich bin der Meinung, dass wir bei ganz wichtigen Fragen immer noch Angst vor der Demokratie haben und den Menschen nicht zutrauen, sich hier ein Urteil zu bilden. Insofern wäre ich als Liberaler dafür, hier die Demokratie noch wesentlich nach vorne zu treiben. Die Schweizer können es übrigens auch und die haben eine geringere Verschuldung und sind wesentlich effektiver als wir Deutschen mit einer direkten Demokratie.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

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