Gastkommentar

Gastkommentar zum Bürgerentscheid in Baden-Baden am 29. Juni 2025 – Von Rolf Pilarski

Gastkommentar zum Bürgerentscheid in Baden-Baden am 29. Juni 2025 – Von Rolf Pilarski
Rolf Pilarski, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Baden-Baden. Foto: Archiv

Baden-Baden, 13.06.2025, Bericht: Redaktion In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de schon seit einigen Jahren Gastbeiträge. Zu den Autoren gehören unter anderen der Baden-Badener Autor Franz Alt und der Dozent Prof. Thomas Bippes. Dieses Format wird unsere Zeitung anlässlich des Bürgerentscheids in Baden-Baden in den nächsten Wochen bis zum 29. Juni 2025 ausweiten.

Als Gastkommentatoren hat goodnews4.de Amts- und Mandatsträger und auch Opinion Leader aus Baden-Baden in einem ausgewogenen Verhältnis von pro und contra «Ja zum Klinikstandort Baden-Baden» angefragt. Dazu gehören auch der Baden-Badener Oberbürgermeister und die Vertreter von Fraktionen aus dem Gemeinderat von Baden-Baden.

 

Gastkommentar von Rolf Pilarski, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Baden-Baden:

Das Zentralklinikum, alle reden mit, wenige kennen die Fakten

Seit dem Jahr 2020 begleite ich das Projekt «Klinikum». Es begann damit, dass die Ansammlung der jährlichen Verluste der KMB gGmbH seitens der Gremien unser Stadt nicht mehr hingenommen werden sollten. Alle in den Jahren davor eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen und alle Investitionsentscheidungen brachten keine Abhilfe oder waren falsch. Man suchte den Rat einer für diese Aufgabenstellung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Die erkannte sehr hohe Investitionsbedarfe zur Betriebssicherung, die in der Vergangenheit nicht zeitnah getätigt wurden und als Investitionsstau beklagt werden mussten. Als beste Lösung wurde von der Beratungsgesellschaft die Zentralisierung mittels der Ein-Standort-Variante ermittelt. Dadurch könnten medizinische und personalbedingte Redundanzen eliminiert werden, was zu deutlichen Kosteneinsparungen führen würde. Zum damaligen Zeitpunkt waren 50 Prozent der Vollzeitstellen der Gesellschaft in Baden-Baden / Balg angesiedelt. Laut Gutachten sei es in der Zielstruktur möglich, auf 250 Vollzeitkräfte zu verzichten. Im Monat bedeutet das bei einem damaligen fiktiven Bruttodurchschnittsgehalt von 4.000 Euro ein Kaufkraftverlust von etwa einer dreiviertel Million Euro in der Region, im Jahr sogar mindestens 9 Millionen Euro.

In der Zielstruktur des Businessplans ist ab 2029 (aus damaliger Sicht) nur noch von positiven Ergebnissen der Gesellschaft die Rede. Einerseits sah man in der Zentralisierung deutlich weniger Betten vor als im Status Quo, anderseits gab es eine Handlungsempfehlung aus den Erfahrungen der Coronakrise deutlich mehr Ein-Bett-Zimmer zu planen.

Die Ein-Standort-Lösung sprach im Gutachten als erstes die Durchführung an einem bestehenden Standort mittels Sanierung und Erweiterung des vorhandenen Klinikgebäudes an. Erst an zweiter Stelle ist der Neubau, möglichst an Stadtkreis- /Landkreisgrenze genannt. Eine gute Verkehrsanbindung sollte vorhanden sein. Weiter heißt es dann, dass die Verfolgung an einem bestehenden Standort nicht realistisch sei, wegen fehlender Ausbaumöglichkeiten, die wurden in dem Gutachten aber nicht überprüft und im Folgenden auch nicht untersucht. Ein-Standort-Lösung mittels Neubau hieß das Credo. Der Gemeinderat sprach sich folglich für die Neubau-Zentralisierung aus und folgte damit den Empfehlungen aus dem Strukturgutachten.

Als nächster Schritt wurde mittels festgelegter Bewertungskriterien nach einem geeigneten Grundstück gesucht. Es wurde beschlossen, einen Beirat zur Unterstützung der Endera-Krankenhausberatung zu bilden, die nach dem Grundstück suchte. Dieser Beirat bestand aus jeweils drei Mitgliedern, benannt vom Landkreis Rastatt und vom Stadtkreis Baden-Baden. Geleitet wurde er zuletzt vom Rastatter Landrat. Der Landkreis Rastatt sandte in das Gremium drei Vollblutpolitiker, allesamt als Kreisräte dem Wohl des Kreises verpflichtet. Allesamt waren sie Bürgermeister oder ehemalige Bürgermeister. Baden-Baden sandte drei politisch neutrale Fachleute in das Gremium, einen Universitätsprofessor aus Dortmund, einen Geschäftsführer einer Unternehmensberatung, einen Diplomingenieur. Aus der unterschiedlichen Besetzungsstrategie könnte man eine unterschiedliche Interessenlage feststellen. Für mich ist klar, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt ein klares politisches Interesse des Landkreises bestand, den Klinikstandort nach Rastatt zu holen. Die FDP-Fraktion hatte damals kein Recht, eine Persönlichkeit für die Besetzung aus dem Stadtkreis zu benennen. Das hatten nur die drei «großen» Fraktionen.

Aus den Dokumenten geht hervor, dass dieser von der Interessenlage keinesfalls gleichwertig besetzte Beirat seit dem 29.09.2021 in den Bewertungsprozess eingebunden war. Somit verwundert es auch nicht, dass manche Politiker aus Baden-Baden die Bewertungen zu einigen Kriterien für den Standort Balg als völlig ungerecht empfinden. Zu diesen Politikern gehöre auch ich. Als ganz krasses Beispiel dient hier die Bewertung der Verkehrsanbindung, Punkt 4.6. Öffentliche Erschließung. Am Münchfeldsee wurde bei 85 Prozent mit gut bewertet. Mögliche Bushaltestelle, Mögliche S-Bahn Haltestelle, Querspange L78b …Baubeginn2025… Baden-Baden Balg wurde bei nur 60 Prozent mit befriedigend bewertet, obwohl eine Busverbindung bereits bestand und die Straßenanbindung gut ist und Optionen bietet. Zudem stellt sich die gut bewertete Angabe für den Baubeginn der Querspange heute als unwahre Angabe im Gutachten dar. Somit spricht für mich nicht nur dieses Beispiel dafür, dass die Bewertung für die Eignungsreihenfolge der Rastatter Grundstücke politisch «gefärbt» ist. Ein neutrales, objektives Vergleichsgutachten zwischen Balg und dem Münchfeldsee könnte hier Klarheit schaffen.

Wir haben dabei noch nicht über die festgestellte Kampfmittelbelastung des Münchfeldes aus dem Zweiten Weltkrieg gesprochen. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, dass für gesunde Menschen der ICE Bahnhof in Oos sogar fußläufig erreichbar ist und für die anderen eine Busverbindung besteht.

Zudem sprechen viele weiche Faktoren für eine Zentralklinik in Baden-Baden Balg. Die Historie und der weltweite Ruf der Kurstadt sprechen Bände. Bereits die Kriegslazarette waren aus gutem Grund in Baden-Baden und nicht in Rastatt. Das Image unserer Stadt ist exzellent. Die schöne Landschaftslage am Hang, der oft nebelfreie Blick ins Rheintal, die gute Luft der Wälder gereichen der Genesung zum Vorteil. Ein solcher Standort zöge sicher gute Ärzte und Personal aus Nah und Fern an, denn die Infrastruktur unserer Stadt ist trotz aller Finanzprobleme noch einzigartig, das hat die Auszeichnung als Welterbe bestätigt. Kurz und gut, wir bieten für die Klinik viel mehr als eine Industriestadt. Andererseits ist diese Klinik für die Prosperität Baden-Badens in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Wer das nicht erkennen kann oder leugnet, sollte sich kein Urteil erlauben.

Mich wundert besonders, dass unser Oberbürgermeister die Interessen Rastatts zu den unseren macht und diese mit dem Gewicht seiner Position bei öffentlichen Auftritten verkauft. Gleiches gilt für die «großen» Fraktionen im Rat. Die Andersdenkenden werden schlecht gemacht und über deren Argumente polemisch die Angstkeule geschwungen. Die bessere Zentralklinik in Baden-Baden ist in einem vergleichbaren Zeitraum wahrscheinlich zu günstigeren Kosten realisierbar. Stimmen Sie am 29.6. bitte mit «JA».

«Das ganze System beruht auf der Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es laut und oft genug wiederholt. Und es funktioniert.»
Edward Snowden

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