Präsidentschaftswahl in Frankreich

Le Pen kann am Sonntag auf gutes Ergebnis im Elsass hoffen - Alain Howiller: "Die Elsässer sind Patrioten, aber keine Nationalisten" - Le-Pen-Sieg "wahrscheinlich" das Ende der EU

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goodnews4-O-TON-Interview von Christian Frietsch mit Alain Howiller

Baden-Baden, 06.05.2017, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Wieder einmal sind sich die Umfrageinstitute einig. Emmanuelle Macron wird die Stichwahl gegen Marine Le Pen mit einem deutlichen Vorsprung gewinnen. 59 Prozent werden für den ehemaligen Investment-Banker und 41 Prozent für die EU-Gegnerin Marine Le Pen vorausgesagt.

Im goodnews4-O-TON-Interview ist Alain Howiller etwas vorsichtiger. Der ehemalige Chefredakteur der Dernières Nouvelles d'Alsace, DNA, glaubt auch, dass Emmanuelle Macron zum neuen Präsident von Frankreich gewählt wird, aber nach seiner Einschätzung wird es ein Ergebnis von 55 zu 45 Prozent zu Gunsten von Macron geben. Auch nach dem guten Ergebnis im ersten Wahlgang für Le Pen im Elsass glaubt Alain Howiller nicht, dass es bei den Elsässern eine nennenswerte rechtsradikale Ausprägung gibt. «Die Elsässer sind Patrioten, aber keine Nationalisten», deutet Alain Howiller die Gesinnung seiner elsässischen Landsleute. «Wahrscheinlich ja», antwortet Alain Howiller auf die Frage, ob ein Wahlsieg von Marine Le Pen das Ende der Europäischen Union wäre.

Am Sonntag wird das vorläufige Wahlergebnis in Frankreich traditionsgemäß erst um 20 Uhr verkündet. Sollte Marine Le Pen doch gewinnen, malt auch der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Henrik Enderlein, Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance, in einem Interview in Spiegel-Online ein rabenschwarzes Szenario: «Es wäre wahrscheinlich, dass die Finanzmärkte innerhalb von 48 Stunden oder wenigen Tagen den Euro zerstören würden. Eine Kapitalflucht würde einsetzen, nicht nur aus Frankreich, sondern auch aus Italien, Spanien, Griechenland.»

Wenn es nach den Katholiken ginge, sähe es schlecht aus für Europa, geht aus einer von der französischen Tageszeitung «Le Monde» in Auftrag gegebenen Umfrage hervor. Die Mehrheit der Katholiken würde Le Pen wählen, ergab die Umfrage. 46 Prozent wollten für Le Pen und 42 Prozent für Macron stimmen.

In Frankreich wird bei Wahlen traditionell das vorläufige Ergebnis um Punkt 20 Uhr verkündet. Zu dieser Zeit schließen die Wahllokale in den größeren Städten. Vor 20 Uhr herrscht Schweigepflicht: Die französischen Medien dürfen weder Umfrageergebnisse noch vorläufige Wahlergebnisse bekannt geben. Viele Franzosen wenden sich daher vor 20 Uhr an ausländische Sender, insbesondere französischsprachige Sender aus Belgien und aus der Schweiz, um vorläufige Ergebnisse zu erfahren.


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit Alain Howiller:

goodnews4: Du warst lange Chefredakteur, Alain, einer der größten Tageszeitungen Frankreichs, der Derniere Novelle d´Alsace. Die Franzosen wählen nun im zweiten Wahlgang ihren neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Wird es ein Déjà-vu zur Wahl vom 5. Mai 2002 geben, als Jean-Marie le Pen gegen Jacques Chirac deutlich unterlag. Chirac hatte damals 82 Prozent und der Vater von Marine Le Pen 18 Prozent. Wird sich das wiederholen?

Alain Howiller: Mathematisch sollte eigentlich im zweiten Rundgang Macron rauskommen mit 62 Prozent der Stimmen, aber das klappt nicht genau. Die meisten Sieger von den verschiedenen Parteien haben ausgerufen, dass man Macron wählt, aber die Bevölkerung ist nicht so einverstanden. Die vielen, die den Front National gewählt haben, wollen sich nicht in der Mehrheit Macron ergeben und es wird wahrscheinlich hart auf hart zwischen Le Pen und Macron. Es wird nicht so einfach sein wie damals zwischen dem Vater Le Pen und Chirac.

goodnews4: Glaubst Du, dass die Linken, die Menschen, die Sozialisten gewählt haben, alle Macron wählen?

Alain Howiller: Ja, wahrscheinlich.

goodnews4: Nach den erwarteten Ergebnissen der Brexit-Abstimmung und der Wahl von Donald Trump ist das Vertrauen in die Meinungsforschungsinstitute nicht mehr sehr groß.

Alain Howiller: Ja, aber diesmal haben sie beim ersten Wahlgang alles gut vorhergesagt. Sie haben genau gesehen, dass Macron als erster rauskommt und dass Le Pen als zweiter rauskommt. Die einzige Zahl, die falsch war in den Umfragen, das war die Beteiligung. Sie sagten es gibt eine Beteiligung von 70 Prozent, aber die Wahlbeteiligung war nah bei 80 Prozent. Es war eine ziemlich hohe Beteiligung.

goodnews4: Alain, Du bewegst dich ja auch in Straßburg bei vielen Menschen. Kannst Du dir vorstellen, dass Marine Le Pen ein Überraschungssieg gelingen könnte?

Alain Howiller: Ich kann es mir schwer vorstellen, aber es gehört leider zu den Möglichkeiten.

goodnews4: Wäre das dann das Ende der europäischen Union? Das Ende der Integration?

Alain Howiller: Wahrscheinlich ja. Man darf nicht vergessen, dass eigentlich Macron der Kandidat für Europa ist. Er ist für Europa, für ein Frankreich, das offen ist, das nicht gegen die Fremden ist, für eine liberale Wirtschaft ist. Marine Le Pen ist für ein nationales Frankreich mit einem starken Einfluss vom Staat gegen die Fremden. Also es sind zwei Weltanschauungen, die ziemlich verschieden sind, zwischen den beiden. Liberalismus auf der einen Seite mit Macron. Ein Nationalismus und ein starker Einfluss des Staats auf der anderen Seite bei Le Pen.

goodnews4: Was soll denn Deutschland machen mit dem Ungleichgewicht, dem wirtschaftlichen Ungleichgewicht, was Le Pen anspricht, was übrigens auch Donald Trump anspricht, der Exportüberschuss. Was könnte Deutschland tun, damit dieses Ungleichgewicht aufhört?

Alain Howiller: Deutschland sollte an sich eigentlich die europäischen Verträge anwenden. Die sehen vor, dass wenn ein Überschuss von sechs Prozent in einem Staat ist, dass er einen starken Einfluss auf den Konsum ausüben muss, damit die Exporte etwas weniger werden und dass mehr Importe und Konsum im Lande selbst ist. Also, Deutschland sollte an sich einfach, ganz einfach, die europäischen Verträge anwenden.

goodnews4: Alain, es gibt bei uns hier, auf der anderen Rheinseite in Deutschland, ein großes Erstaunen immer wieder über die Elsässer. Auch bei dem ersten Wahldurchgang haben sehr viele Marine Le Pen gewählt. Warum wählen die Elsässer denn so weit rechts?

Alain Howiller: Ja, sagen wir die Elsässer waren immer rechts und diesmal konnten sie sich nicht für Fillon aussprechen, also sind sie nach rechts geraten. Aber man muss trotzdem aufpassen, man kann nicht sagen, dass die Elsässer im Allgemeinen für Le Pen sind. Eigentlich in den Großstädten waren sie für Macron, das heißt in Colmar, Straßburg und den anderen größten Städten. Die Leute auf dem Lande waren eher für Le Pen.

goodnews4: Die Elsässer haben ja früher auch immer sehr konservativ gewählt. Eine sichere Sache für De Gaulle war das Elsass immer. Sind die Elsässer Nationalisten?

Alain Howiller: Das kann man schwer sagen. Sie sind Patrioten, aber keine Nationalisten.

goodnews4: Und zum Schluss, Alain, was ist dein Tipp für den Wahlsonntag? Also, Du sagst 80 Prozent für Macron wird es nicht geben, so wie es damals war bei Chirac, aber was schätzt du denn?

Alain Howiller: 55 Prozent für Macron und der Rest für Le Pen.

goodnews4: Dann warten wir das mit großer Spannung ab. Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de

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