Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ - „Wer ist denn nun der rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks Stephanienstraße 5?“ - „Frau Mayer kann geholfen werden!“
Baden-Baden, 06.09.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Kurt Krause Stellung zu dem Leserbrief von goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Leserbrief «Meine Meinung» − Zu «Badisches Tagblatt drohen Konflikte» auf goodnews4: «Wer ist denn nun der rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks Stephanienstr. 5?».
Die Frage, wem das Grundstück in der Stephanienstr. 5 gehört, ist sicher nicht nur für Frau Mayer, sondern auch für die Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) und die Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden (IKG) wichtig.
Das Grundstück Stephanienstr. 5 gehörte ursprünglich zur Villa in der Scheibenstr. 1 und grenzte an die Hofdruckerei in der Stephanienstr. 3 an. Frau Augusta von Oppenfeld verkaufte die unteren Teile ihres Gartens, auf dem die Synagoge errichtet werden sollte, am 23. März 1897 und am 24. Mai 1901 an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden-Lichtental. Beide Verkäufe zusammen addierten sich auf fast 62.000 Mark. Dann ging es zügig voran: 1897 wurden die Baupläne eingereicht und genehmigt, 1898 war Grundsteinlegung und bereits im August 1899 wurde die Synagoge eingeweiht.
Damals, am 18. August 1899 berichtete das «Badener Tagblatt» ausführlich, «… dass für die Erfüllung des langgehegten Wunsches der Juden nach einem eigenen, würdigen Gotteshaus 15 Jahre ins Land gegangen waren.… Die Synagogen-Einweihung war ein Festtag für die israelische Gemeinde, an dem auch die übrige Bürgerschaft Anteil nahm.… Alles was Rang und Namen in der Stadt und im Großherzogtum hätte an der Feier teilgenommen.» Und wie ist das heute? Heute sind die Nachbarn von einst, die Eigentümer des «Badischen Tagblatts» für Juden nicht mehr zu sprechen!
Was ist seit 1901 geschehen? Nun, spätestens am 10. November 1938 vergaßen Deutsche, dass Nächstenliebe keine konfessionellen Schranken kennen darf. Die Zeitung berichtete am 11.11.38, «In Baden-Baden wie auch an anderen Orten hätten sich Aktionen gegen jüdische Rassenangehörige ereignet.… Die Synagoge sei in Mitleidenschaft gezogen worden…. Polizei und SS sorgten für strenge Ordnung und Disziplin.» Alles Fake: Die Synagoge war heruntergebrannt, mehr als 50 jüdische Männer wurden am gleichen Tag per Bahn ins KZ Dachau transportiert, jüdische Geschäfte, wie u.a. das Kaufhaus Lipsky und das Modehaus Julius Mayer, verwüstet!
In goodnews4 war im November 2017 zu lesen, dass das Synagogengrundstück 1938 gegen «rechtmäßige» Bezahlung von 10.000 Reichsmark an die Stadt Baden-Baden übergegangen war − allerdings erst nach Abzug der Abbruchkosten für die Ruine von 9.000 RM. Netto zahlte die Stadt Baden-Baden somit nur 1.000 RM für das Grundstück. Da die jüdische Gemeinde Baden-Badens nach 1945 ausgerottet war, wurde unter OB Schlapper das Grundstück 1954 an die IRG in Karlsruhe übertragen. Ob diese damit rechtlich einwandfrei Eigentümer wurde, darf bezweifelt und bestritten werden. Auf jeden Fall hat sie das Grundstück der Synagoge 1955 an die Hofdruckerei Koelblin KG für 50.000 DM verkauft.
Ernst Koelblin war nicht Gründer der Hofdruckerei. Er und sein Schwager Hermann Weber erwarben die Druckerei für 250.000 Goldmark zum 1.1.1884. Im Kaufvertrag stand u.a., «… dass die Herren Weber und Koelblin sich verpflichten, die seitherigen freisinnigen Tendenzen der Zeitungen ‚Badeblatt‘ und ‚Wochenblatt‘ beizubehalten.»
Im Kaufvertrag für das Synagogengrundstück hat Werner Hambruch als Eigentümer der Hofdruckerei Koelblin KG sich und zukünftige Eigentümer verpflichtet, «das Grundstück nicht zu profanen Zwecken zu verwenden».
Am 22.2.2018 schreibt das BT über sich: «Die Zeiten ändern sich. Das BT bleibt sich treu.» Dem kann man nun wirklich nicht zustimmen. «Freisinnig» ist das BT heute sicher nicht mehr. Es wäre für das Ansehen des BT und seiner Verlegerfamilie sicher gut, wenn sie sich mehr an die von ihren Vorfahren geschlossenen Verträge und deren Inhalte halten würden.
Die Ernst Koelblin Hofdruckerei wurde am 20.6.1893 gegründet (HRA 4/40) und am 1.1.1903 in eine Kommanditgesellschaft (HRA 23) umgewandelt. Werner Hambruch war dann lange Jahre Geschäftsführer und heiratete Friedel Höllischer, eine Koelblin-Enkelin. 1964/65 gibt es Wechsel bei den Kommanditisten. Die Töchter von Werner Hambruch, Eva Ertl und Yvonne Richters haben am 11.1.1965 Kommanditeinlagen von jeweils 52.957,80 DM. 1966 gibt es dann einen Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters. Es ist nunmehr nicht mehr Werner Hambruch, sondern die mittlerweile von seinen Töchtern Eva und Yvonne als Alleingesellschafter gegründete Firma «Ertl und Richters Druckereibetriebsgesellschaft mbH».
1977 erneut eine Änderung der Firma, die sich nun «Ernst Koelblin GmbH & Co. KG» nennt. Dann im August und September 2001 scheiden die Damen Ertl und Richters, beide geb. Hambruch aus der Gesellschaft aus und übertragen ihre Einlagen im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf Ellen Göller, Cornelia Hesse geb. Göller und Ulrich Göller. Es kommt am 7.8.2001 zu einem Vertrag über die Verschmelzung der beiden beteiligten Gesellschaften. Die Übertragung des Vermögens als Ganzes erfolgt unter Ausschluss der Abwicklung mit der übernehmenden Gesellschaft Firma «Göller KG» mit Sitz in Baden-Baden (HRA 1175) und letztlich zur Gründung der Koelblin-Fortuna-Druck GmbH & Co. KG, einem Pressevertrieb in der Aschmattstr. in Baden-Baden.
Vermutlich wurde das rund 1200 m² große Synagogengrundstück vor der Verschmelzung aus der Ernst Koelblin GmbH & Co KG entnommen, selbst wenn dies zu einer Neubewertung und zu einem zu versteuernden Buchgewinn führte. Das Grundstück ist eine so wertvolle Arrondierung des Grundbesitzes der Familien Eva Ertl und Yvonne Hambruch-Piesker (vormals Richters), der sich nun zwischen Scheibenstraße und Sophienstraße (bis zum Fabergé-Museum) erstreckt und im Süden von der Stephanienstraße begrenzt wird.
Wer nur vom «BT» spricht und an seine Tageszeitung denkt, verniedlicht den Einfluss dieser Lokalpresse auf unser Leben, die Stadtverwaltung und auf die politischen Parteien. Denn neben dem erworbenen und ererbten Grundbesitz gibt es eine Vielzahl von Unternehmen die den beiden Töchtern von Werner Hambruch gehören, u.a.:
− Ertl & Hambruch-Piesker Verwaltungsgesellschaft mbH
− Ertl & Richters Druckereibetriebsgesellschaft mbH & Co Multimedia KG
− Badisches Druckhaus Baden-Baden GmbH
− Badisches Tagblatt GmbH
− TOP Presse-Service GmbH
− Buch + Presse Verwaltungsgesellschaft / vormals Koelblin Telefonbuch GmbH
− Koelblin - Fortuna GmbH
− Koelblin – Fortuna Druck GmbH & Co. KG
Gehe ich recht in der Annahme, dass das Synagogengrundstück heute der Ertl & Richters Druckereibetriebsgesellschaft mbH & Co. Multimedia KG, Baden-Baden gehört? Wenn nicht, dann wird die Verlegerfamilie das sicherlich dementieren!
Die Begriffe «Blutgeld» und «Blutdiamanten» sind umgangssprachlich bekannt. Das Grundstück in der Stephanienstraße 5 steht symbolisch auch für die sechs Millionen Opfer des von den Nazis organisierten Völkermords an den Juden. Offensichtlich ein «Blutgrundstück»?
Kurt Krause
Baden-Baden
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