Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Zu: Festspielhaus Baden-Baden muss noch lange warten – „Er hat noch einen Koffer in Dortmund. Zum Glück für Baden-Baden?“

Baden-Baden, 12.05.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Rudolf Rust Stellung zu dem goodnews4-Bericht Öffnung der Museen steht bevor − Festspielhaus Baden-Baden muss noch lange warten.

In wenigen Wochen wird die Stadt Baden-Baden Eigentümerin des Festspielhauses. Zumindest der baulichen Hülle – denn der künstlerische Bereich ist strikt abgesondert. Dort findet bis auf weiteres nichts statt. Ein Hilferuf der Festspielhaus Baden-Baden gGmbH (FSH) an die Landesregierung zeigt, dass das größte Opernhaus Deutschlands – in dem so gut wie nie eine Oper auf dem Programm steht – «brennt». Droht die Insolvenz? Begünstigt diese weitere Ruine neben Altem und Neuem Schloss, Babo-Hochhaus und Europäischem Hof die Bewerbung zum Weltkulturerbe?

Außenstehende können nur schwer abschätzen was im Festspielhaus passiert. Es fällt aber auf, dass sich OB Mergen (CDU), gleichzeitig Kulturdezernentin und auch im Vorstand des Festspielhaus-Freundeskreises auffällig zurückhält. Der Vorstoß der beiden Landtagsabgeordneten Wald (CDU) und Becker (Grüne) verursacht zusätzliche Kosten für Land und Stadt. Hoch-Kultur ist ihrer aller Sache nicht und die Stadt-Kasse war noch nie so leer wie heute und von Haushaltssperre und Nachtragshaushalt bedroht.

Benedikt Stampa begann als Intendant des Festspielhauses – nach eigenen Angaben – «erfolgreich und vielversprechend», noch im April 2020 sagte er: «Wir hatten einen Wahnsinnsstart in die Saison, die Aufführungen bislang waren wirklich gut verkauft.» Das gilt vor allem für die Osterfestspiele, geplant mit Beethovens «Fidelio» und den Berliner Philharmonikern. Diese sind so vorzüglich, dass sie – weil sie sonst nie Opern spielen – lange proben müssen. Das geht ins Geld. Dazu eine Regisseurin, die mit «Fidelio» als Opernregisseurin debütiert hätte und horribile dictu, lange proben musste. Das geht ins Geld. Sie wollte «Fidelio» neu «lesen» und mit Gender-Problemen befrachten, wo der Musikliebhaber eigentlich nur Beethoven «hören» wollte.

Sind die Einnahmen der Osterfestspiele eigentlich an die Ticketkäufer erstattet? Wenn nicht, wieso kann Stampa dann Einnahmeausfälle von Mitte März bis zum Ende der Saison auf ca. 6 Mill. Euro beziffern und Käufer, Freundeskreis und Förderer zu Spenden auffordern? Notleidend sind doch wohl zunächst all jene freien Künstler und Orchester, deren Konzerte nicht stattfinden und daher auch keine Gagen erhalten!

Das FSH lässt unerwähnt, dass Kartenkäufer nach deutschem und EU-Recht einen Anspruch auf Erstattung der Kartenpreise haben. Von anderen Opernhäusern klingt es so wie z.B. in Stuttgart: «…Spielzeit 2019/2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht wie angekündigt stattfinden kann. Das heißt, alle Vorstellungen und Begleitprogramme in dem bisher bekannten Rahmen sind abgesagt. Der Kartenverkauf bleibt bis auf weiteres ausgesetzt. Dies betrifft die aktuelle und bis auf weiteres auch die kommende Spielzeit.»

Man muss ein Phantast sein, wenn man glaubt, immer noch Pfingst- und Sommerfestspiele in 2020 durchführen zu können. Bei Stampa ist das wohl das «Pfeifen im Wald». Vor allem sagt er nichts über die Reduzierung der Ausgaben beim Personal und bei den Künstlerhonoraren. Sollten die Berliner Philharmoniker etwa für Proben bezahlt worden sein, obwohl nichts zur Aufführung kam? Solch eine Vertragsklausel führt zur Frage: Warum hatte das Festspielhaus für sich selbst keine Ausfall- oder Betriebsunterbrechungsversicherung? Angesichts der Vernebelungstaktik ist längst «klare Kante» und mehr Transparenz zu fordern.

Stampa ist nicht nur Intendant und künstlerischer Leiter der Festspielhaus Baden-Baden gGmbH. Er ist auch Mitgeschäftsführer ClassiConn Verwaltungs GmbH, deren Tochter ClassiConn Dortmund GmbH & Co. KG Betreiberin der Internetseite «Takt1» ist. Das ist ein kostenpflichtiger Musik-Streaming-Dienst, nach Meinung von Stampa «Partner für das digitale Programm» des Festspielhauses. Takt1 findet jedenfalls: «Bei Benedikt Stampa laufen die Fäden aus Publikum, Programm und Musikern zusammen.» Stampa schreibt dort regelmäßig als Kolumnist. Mal berichtet er von Lustreisen nach New York, mal schwärmt er von Wien als Hauptstadt der Musik. Jetzt sogar über Baden-Baden, einem «Zentrum der erschütterten deutschen Kulturlandschaft» und bemerkt: «… in den letzten Wochen hatten wir im Festspielhaus kaum eine nennenswerte künstlerische Planung. Eine Spielzeit löste sich gleichsam vor unseren Augen in Luft auf.»

Wenn ein Manager meint, quasi zum Jet-Set zwischen Wien, St. Petersburg und New York zu gehören, wie ärmlich, ja vielleicht erbärmlich muss ihm dann das provinzielle Baden-Baden vorkommen? Von Firmen-Vorständen hört man, sie wollten «um die finanziellen Belastungen abzufedern, … bis aus weiteres auf die Hälfte des Gehalts verzichten, die nächste Führungsebene auf 30 Prozent». Auf eine derartige Nachricht wartet man vom Festspielhaus ebenso vergeblich wie von der Stadtverwaltung.

Wer sich wie Stampa in einem Video-Blog mit den Händen in der Tasche filmen lässt, dem fehlt ganz offensichtlich die «Hands-On-Mentalität». Bei Hands-on geht es darum, dass «Hand an etwas» gelegt wird; es gilt also, nicht nur zu delegieren, sondern sprichwörtlich die Ärmel hochzukrempeln und tatkräftig mitanzupacken. Wenn einer dann in dem genannten Video-Blog überall sonst hinschaut, nur dem Betrachter nicht in die Augen – was soll man von dem halten? Stampas Nachfolger im Konzerthaus Dortmund, Graf Dr. Raphael von Hoensbroech kann das jedenfalls viel besser.

Dem Festspielhaus Baden-Baden kann zur Abwendung einer Insolvenz nur noch ein Wunder helfen – oder jemand wie Mölich-Zebhauser, wie schon vor 20 Jahren!

Rudolf Rust
Baden-Baden


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