Baden-Baden, 14.05.2022, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Rainer Jehl Stellung zu dem Leserbrief des goodnews4-Lesers Wolfgang Holstein Leserbrief «Meine Meinung» − «Stadtrat Schmoll der einzige Stadtrat der zu Fuß oder per Fahrrad die Stadt erkundet».

Zunächst ein Erlebnis: Als ich gestern um halb acht abends mit meinem Velo aus der Tür trat in der Fußgängerzone Lange Straße, kam aus Richtung Rathaus ein dickes schwarzes BMW-SUFF gerollt mit einem unbenutzten grünen Show-MTB am Heckträger. Da die Stadt Baden-Baden mir eine neue Baustellenabsperrung (ganzjähriges Dauerpflastern für Fußverkehr und Bauwirtschaft) vor die Tür gestellt hatte, konnte ich mein Fahrrad schiebend dem Auto nicht gut ausweichen. Dieses nahm sich behende die Vorfahrt und der Fahrer brüllte aus dem Fenster, «ob ich was gegen ihn hätte?» Ich sagte nichts, merkte mir aber die Badner Kfz-No.

Bedauerlicher Einzelfall?

Leider nein. Die Stadterkundung per SUFF in Straßen mit Zufahrtsverbot ist in Baden-Baden doch die Regel, da hilft auch kein angeschraubtes grünes Radl. Durchgehender Auto- und Lieferverkehr in der Fußgängerzone ist seit Jahrzehnten etabliert, gerade auch in den Einfahrtsverbotszeiten und die Stadt Baden-Baden fördert dies durch vollautomatische Polleranlagen, die bei Annäherung eines Fahrzeugs 24 Stunden am Tag schamhaft im Boden verschwinden, wenn sie nicht gleich volldefekt dort feststecken. Funktioniert übrigens auch bestens mit dem Fahrrad, allerdings mit Kinderwagen nicht.

Einfahrtskontrollen gibt es lediglich um 11 Uhr morgens, wenn die Schotten dicht gemacht werden. Sonst ist niemand vom Ordnungsamt zu sehen, abends und sonntags schon gar nicht, was die BMW-Piloten als freie Vorfahrt für alle Verbrenner interpretieren.

Ganz zu schweigen von den Höchstgeschwindigkeiten des Fuhrgewerbes (inklusive BW-Poli auf nichtbeschleunigter Anfahrt!), die in der nächtlichen Fußgängerzone schon mal bei 60 liegen können - ist doch alles frei. Sondernutzungssatzung: Schrittgeschwindigkeit rund um die Uhr. Hier schließt sich der Kreis: Da die vornehmen Werksteinplatten diese Umnutzung der Fußgängerzone in einen Gasdruckplatz nicht vertragen, werden sie kostengünstig von einem Fachunternehmen neu zementiert - ganzjährig zum Pauschalauftrag.

Solange der Stadtrat, wie Herr Holstein völlig richtig erkannt hat, aus lauter BMW-Vollgaspiloten besteht, wird sich hier wenig tun. Ich habe hier auch die Grünen mit ihrem namhaften Sitzanteil in Verdacht, aber da ich nicht auf Partys eingeladen werde, kann ich nicht konkret benennen, wer es ist (mutmaßlich sind auch Damen darunter).

Neu-OB Späth kommt damit gleich ins passende Biotop. Der GVD wird mit Späth wohl eher nicht aufgestockt.

Ich arbeite selbst in einer Baden-Badener Vollgasfirma, in der die Hierarchien nach PS abgesteckt sind.

Aus Baden-Baden wird eben keine schicke Fahrradstadt, auch wenn das Radverkehrsgepiepe noch so hochtönig vom Elektro- und Maienradeln schnattert.

Zuerst müssen mal die maßgeblichen Verbrenner aus der Politik fliegen.

Rainer Jehl
jahrzehntelanger Armutsradfahrer
Baden-Baden Innenstadt

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