Gedenken an Deportationen

OB Späth leitete Delegation nach Gurs – Zu ungelösten Fragen bleibt das Baden-Badener Rathaus stumm

Baden-Baden, 30.10.2024, Bericht: Redaktion Über eine «bewegende Gedenkveranstaltung» in Gurs berichtet das Rathaus Baden-Baden. Die Erinnerung an die Deportierten von Gurs lebe fort, heißt es in der Meldung des Rathauses von gestern. Oberbürgermeister Dietmar Späth habe die Delegation geleitet.

Zu den drängenden Fragen des Umgangs mit der «Würde» der Juden in Baden-Baden und der Position des Rathauses zur Anfrage nach einem Grundstück zum Bau einer Synagoge gibt es allerdings auch aus dem Rathaus keine neue Position und keine Einsicht. Nach wie vor gilt, dass in ganz Baden-Baden kein Grundstück zum Bau einer neuen Synagoge zu finden sei. Dies hatte Margret Mergen schriftlich mitteilen lassen.

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Die Mitteilung aus dem Rathaus Baden-Baden vom 29. Oktober 2024 im Wortlaut:

Eine Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs erinnert alljährlich an die Jüdinnen und Juden, die 1940 in die südfranzösische Stadt deportiert wurden. Auch dieses Jahr nahm wieder eine rund 70-köpfige Delegation aus Deutschland an der Veranstaltung am 27. Oktober teil. Die Sprecherrolle für die Arbeitsgemeinschaft hatte dabei die Stadt Baden-Baden inne.

Mehr als 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland, wurden im Oktober 1940 nach Gurs deportiert. 110 Personen allein aus Baden-Baden. Vor allem Ältere überlebten die unmenschlichen Zustände im Lager nicht. Viele der Deportierten wurden zwischen 1942 und 1944 in die Vernichtungslager im Osten gebracht. Das «Camp de Gurs» wurde für sie zur «Vorhölle von Auschwitz». Die Arbeitsgemeinschaft Gurs, ein Zusammenschluss von 20 Städten, organisiert aus diesem Grund jedes Jahr gemeinsam mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden eine Gedenkreise. Auf dem Friedhof wird der Opfer und der unmenschlichen Bedingungen erinnert, denen die Deportierten ausgesetzt waren.

 

In diesem Jahr übernahm die Stadt Baden-Baden die inhaltliche Ausgestaltung des Gedenkens. Oberbürgermeister Dietmar Späth leitete die Delegation der Arbeitsgemeinschaft. Von deutscher Seite aus waren insgesamt mehr als 70 Personen aus den Mitgliedsstädten, von der Israelitischen Religionsgemeinschaft und dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport dabei. Aus Baden-Baden begleiteten Stadtrat Ansgar Gernsbeck, Stadträtin Sabine Iding-Dihlmann und Barbara Hoffs, Ehrenvorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, den Oberbürgermeister. Auch Rabbiner Naftoli Surovtsev und Joachim Knöpfel sowie weitere Vertreter der jüdischen Gemeinde nahmen an der Reise teil.

In Gurs begrüßte der Bürgermeister der Gemeinde, Christian Puharré, die deutschen und französischen Gäste vor dem Friedhof. Nach einer Gedenkminute am Mahnmal des französischen Staates für alle Internierten und Verstorbenen des Lagers folgte der gemeinsame Gang zum Friedhof. Die Reden auf dem Friedhof standen im Zeichen des Gedenkens und der persönlichen Schicksale der Deportierten. Aber auch die gegenwärtige Situation und der Schutz jüdischen Lebens kamen zur Sprache. Daniel Hager-Mann, Ministerialdirektor im Kultusministerium, widmete sich in seiner Rede dem jungen Karlsruher Hans-Jürgen Maier. Er kam im Alter von nur elf Jahren nach Gurs und wurde später nach Auschwitz deportiert und ermordet. «Das ist nur ein Fall von Tausenden, ja von Millionen. Das ist und bleibt unbegreiflich», so Hager-Mann.

Auch Oberbürgermeister Späth erinnerte an die Situation im Lager Gurs: «Ich stehe hier, um zu Ihnen zu sprechen und dennoch fehlen mir angesichts des unermesslichen Leids die Worte. Nicht alle Einzelschicksale sind uns bekannt. Bei einigen Personen kennen wir die detaillierten Lebenswege, bei anderen wenig mehr als den Namen. Aber eines ist gewiss: Alle mussten unendliches Leid ertragen.» In seiner Rede ging er auch auf die gegenwärtige Situation des jüdischen Lebens ein. «Israel und jüdische Menschen sind auch rund 80 Jahre nach dem Holocaust Zielscheibe unerbittlichen und unversöhnlichen Hasses. Dass wir hier gemeinsam stehen und gedenken, macht mir jedoch auch Mut, dass wir es als Gesellschaft schaffen, den antisemitischen Strömungen entgegenzustehen», so Späth.

Prof. Doron Kiesel, Wissenschaftlicher Direktor des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach über die Bedeutung des Erinnerns: «Solange Gedenken aufrechterhalten und gepflegt wird, lebt auch die kollektive oder individuelle historische Erinnerung weiter.» Abschließend sprach Max Brisson, Senator des Departments Pyrénées-Atlantiques und drückte seinen Dank für die Zusammenarbeit aus: «Vielen Dank für diese Arbeit, für diese Kooperation und dafür, dass Sie die Erinnerung an die Deportierten von Gurs fortleben lassen.» Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung trafen sich deutsche und französische Gäste zu einem Empfang im Gemeindezentrum Gurs. Dabei überreichte Bürgermeister Puharré die Ehrenmedaille der Gemeinde an Ministerialdirektor Hager-Mann, OB Späth und Rami Suliman, den Vorsitzenden der IRG Baden.

Ein wesentlicher Bestandteil der Gedenkreise nach Gurs ist die aktive Beteiligung junger Menschen. Deshalb nehmen jedes Jahr auch Jugendliche aus den Mitgliedstädten teil. Am darauffolgenden Tag stellten Baden-Badener Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Hohenbaden ihr Erinnerungsprojekt vor. Die Jugendlichen gingen auf das Schicksal der Baden-Badener Familien Lieblich und Rosenthal ein, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden. Teil der Präsentation war auch ein Beitrag von Aryeh Brett Levi, dem Ur-Urenkel von Philipp Lieblich. Levi meldete sich aus seiner heutigen Heimat New York City mit einer Videobotschaft. Darin bedankte er sich für das Engagement der Schülergruppe und der Arbeitsgemeinschaft und richtete einen Appell an Baden-Baden, sich seine Eigenschaften als internationale und gastfreundliche Stadt zu bewahren. Anschließend besuchte die Delegation nochmals das Lagergelände und Friedhof, bevor sie sich wieder auf den Weg zurück nach Deutschland machte.




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