Reaktionen auf GroKo-Vertrag

SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Katzmarek nicht glücklich, aber "zufrieden" - "Viele Menschen haben mich angesprochen und gesagt: Mensch, da stehen doch so gute Sachen drin"

goodnews4-LogoO-TON anhören!
goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Gabriele Katzmarek

Baden-Baden, 08.02.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Im goodnews4-O-TON-Interview beschreibt Gabriele Katzmarek ihre Stimmungslage zum nun vorliegenden Berliner GroKo-Vertrag nicht als glücklich, aber als «zufrieden» und sie sei «überrascht, dass wir einen guten Koalitionsvertrag zustande gebracht haben». Zuerst nannte die für Baden-Baden und Rastatt gewählte SPD-Bundestagsabgeordnete als Erfolg der GroKo-Vereinbarungen den «Einstieg in eine Rentenreform».

Danach, dass die «Ungleichbehandlung bei der Bezahlung der Krankenkassenbeiträgen» rückgängig gemacht werde und «die Kinderbetreuung». Die vielerorts als Wortbruch eingestufte Festlegung von Martin Schulz, nicht in ein von Angela Merkel geführtes Kabinett einzutreten, nimmt die SPD-Bundestagsabgeordnete eher als nicht so dramatisch an: «Ich war in den letzten Tagen ja viel unterwegs im Wahlkreis. Das hat die Menschen im ersten Zusammenhang gar nicht bewegt. Viele Menschen haben mich angesprochen und gesagt: Mensch, da stehen doch so gute Sachen drin, es wäre gut, wenn sie jetzt eine Regierung bilden», erklärte Gabriele Katzmarek ihre Wahrnehmungen an der Basis in ihrem Wahlkreis, der den Stadtkreis Baden-Baden und den Landkreis Rastatt umfasst.

Um dem dramatischen Mitgliederschwund bei der SPD von 790.000 Mitgliedern im Jahr 1990 auf nun 450.000 Mitglider entgegenzuwirken, gibt sie den Befürwortern einer stärkeren partizipativen Demokratie Recht: «Wir müssen mehr zu den Menschen hin und müssen die Menschen mehr mit einbeziehen. Das ist richtig. Wir müssen auch mehr schauen, wie Kommunikation stattfindet. Ich bin jetzt optimistisch. Wir haben ja jetzt in den letzten Wochen heftige Debatten erlebt und die Menschen haben sich für Politik interessiert», sieht Gabriele Katzmarek auch nach dem Wahldebakel und den Irritationen nach der Wahl optimistisch in die Zukunft der SPD.

PDF Koalitionsvertrag


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit Gabriele Katzmarek:

goodnews4: Gabriele Katzmarek, sind Sie glücklich oder zufrieden, dass es wohl wieder zu einer Großen Koalition kommt?

Gabriele Katzmarek: Ich bin zufrieden bis überrascht, dass wir einen guten Koalitionsvertrag zustande gebracht haben.

goodnews4: Was sollte denn aus Ihrer Sicht unbedingt im Koalitionsvertrag stehen und haben Sie das wiedergefunden?

Gabriele Katzmarek: Ja. Es sind ganz, ganz viele Punkte, die ich wahrscheinlich gar nicht alle nennen kann. Zum Beispiel der Einstieg in eine Rentenreform, das heißt, die Haltelinie einzuziehen, aber auch der Einstieg in eine Grundrente für Menschen, die zu wenig Rente bekommen. Das ist ein dickes Pfund. Es ist ein dickes Pfund, dass wir 11 Milliarden investieren, dass wir das Grundgesetz dadurch ändern können und direkt den Menschen vor Ort Geld zukommen lassen können. Die Frage der Gesundheit, dass sie aufgegriffen worden ist, Ungleichbehandlung bei der Bezahlung der Krankenkassenbeiträge, dass sie das wieder rückgängig gemacht haben. An sich auch noch bezahlbarer Wohnraum, dass dort mehr investiert wird, dass die Mietbremse nachgeschärft wird. Soll ich weitermachen?

goodnews4: Ein Beispiel geben wir Ihnen noch.

Gabriele Katzmarek: Ok, die Kinderbetreuung. Da finde ich ganz wichtig, dass wir sagen, wir müssen mehr Geld in die Kinderbetreuung reinstecken. Denn es ist ja unerträglich, dass wir zum Teil junge Familien haben, die so hohe Kinderbetreuungskosten zahlen müssen, dass es sich schon fast nicht mehr lohnt, auch arbeiten zu gehen. Wenn wir wollen, dass die jungen Menschen ihr Leben auch leben können, so wie sie sich das vorstellen, ist das ein wichtiger Schritt. Einmal die Kinderbetreuungskosten und zum anderen die Ganztagesbetreuung in der Grundschule.

goodnews4: Was werden die Wähler wohl zu den Wortbrüchen von Martin Schulz sagen? Also: Keine neue GroKo mit der SPD, kein Minister unter Merkel.

Gabriele Katzmarek: Ich war in den letzten Tagen ja viel unterwegs im Wahlkreis. Das hat die Menschen im ersten Zusammenhang gar nicht bewegt. Viele Menschen haben mich angesprochen und gesagt: Mensch, da stehen doch so gute Sachen drin, es wäre gut, wenn sie jetzt eine Regierung bilden. Also von daher habe ich den Eindruck, dass es immer so zwei Welten gibt. Einmal natürlich was wir diskutieren in der Partei, aber auch ein Stückchen mehr was wir von draußen, also von den Menschen, die wir jetzt direkt sehen, zugetragen wird.

goodnews4: Nur 7,5 Prozent der Mitglieder der SPD sind im Alter von 16 bis 30 Jahre. 54 Prozent sind über 60 Jahre alt. Verstehen Sie den Widerstand gegen eine erneute GroKo bei den jungen Mitgliedern?

Gabriele Katzmarek: Das ist etwas schwierig. Also erstmal hat sich das ja jetzt ein Stück verändert. Wir haben viele neue Mitglieder hinzugewonnen und zum anderen, das ist aber ein Punkt, den teile ich nicht, denke ich, verbinden viele junge Menschen die GroKo mit der Nichterneuerung der SPD und ich glaube, unser Erneuerungsprozess und die Entscheidung in eine Koalition zu gehen, sind zwei Dinge. Deshalb gibt es da aus meiner Sicht Differenzen.

goodnews4: 1990 hatte die SPD noch 790.000 Mitglieder, jetzt sind es nur noch weniger als die Hälfte mit 443.000 Mitgliedern. Müssen wir denn nach den letzten Monaten ganz grundsätzlich über den Zustand der Demokratie und der Parteien nachdenken? Über neue Formen der partizipativen Demokratie?

Gabriele Katzmarek: Ja, ganz bestimmt und das eigentlich schon länger. Wir müssen mehr zu den Menschen hin und müssen die Menschen mehr miteinbeziehen. Das ist richtig. Wir müssen auch mehr schauen, wie Kommunikation stattfindet. Ich bin jetzt optimistisch. Wir haben ja in den letzten Wochen heftige Debatten erlebt und die Menschen haben sich für Politik interessiert. Sie haben sich das genau angeschaut, sie haben zugehört und von daher glaube ich, haben wir jetzt eine gute Chance, Politik den Menschen wieder näher zu bringen.

goodnews4: Auf kommunaler Ebene sieht es weit dramatischer aus, was das Interesse an der Politik, an der Kommunalpolitik, angeht. In Baden-Baden gingen nur 44 Prozent der Wahlberechtigten zur letzten Gemeinderatswahl. Unterschiede zwischen CDU, SPD und FDP sind auf kommunaler Ebene kaum mehr erkennbar. Was raten Sie Ihrer Partei auf Bundesebene und an der Basis in den Gemeinden?

Gabriele Katzmarek: Ich rate dazu, die Menschen auch mehr einzubeziehen, über Entscheidungen zu informieren, Veranstaltungen zu machen in verschiedensten Formen − sei es mal auf die Straße zu gehen, in Räumen. Man muss auch die neuen Medien nutzen und dort die Menschen interessieren und miteinbeziehen mit ihrer Meinung, mit ihrer Vorstellung, wie Themen angegangen werden müssen. Das fängt auf der kommunalen Ebene sogar erst recht an. Auf der kommunalen Ebene ist das sogar einfacher als bei Bundesentscheidungen. Der Bund ist schon ein bisschen weiter weg, aber das entbindet nicht davon, die Menschen mehr einzubeziehen in Entscheidungen und in Diskussionen.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

goodnews4-LogoO-TON anhören!
goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Gabriele Katzmarek


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.


goodnews4-Logogoodnews4Baden-Baden Breaking News kostenlos abonnieren!

Jeden Tag sendet goodnews4.de die wichtigste Nachricht als News-E-Mail.
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!