Reaktionen zum Kommunalwahlergebnis

Hartes Urteil des ehemaligen Baden-Badener SPD-Stadtverbandsvorsitzenden – „SPD in unserer Stadt faktisch politisch fast nicht mehr existent“

Hartes Urteil des ehemaligen Baden-Badener SPD-Stadtverbandsvorsitzenden – „SPD in unserer Stadt faktisch politisch fast nicht mehr existent“
Sven Bohnert, ehemaliger Stadtrat und SPD-Stadtverbandsvorsitzender in Baden-Baden. Foto: goodnews4-Archiv

Baden-Baden, 29.05.2019, Bericht: Redaktion In einer Stellungnahme geht der ehemalige SPD-Stadtverbandsvorsitzende Sven Bohnert auf die Wahlergebnisse vom vergangenen Sonntag ein. Die SPD erreichte nur noch fünf Mandate und liegt damit gleichauf mit der Wählergruppe FBB.

Das Ergebnis sei enttäuschend für einen Sozialdemokraten, «weil die SPD in unserer Stadt faktisch politisch – aber auch tatsächlich – fast nicht mehr existent» sei. Es brauche aber eine Sozialdemokratie, schreibt Sven Bohnert. «Braucht es in unserer Stadt aber eine solche Sozialdemokratie, wie sie sich die letzten 20 Jahre vor Ort präsentiert (wohl eher nichtpräsentiert) hat?», fragt der ehemalige Chef der Baden-Badener SPD und gibt die Antwort: «Sicher nicht!» Die Ziele einer sozialdemokratischen Politik und die Personen vor Ort hätten «schlicht nichts miteinander gemein», so das Urteil von Sven Bohnert.

Das Statement von Sven Bohnert im Wortlaut:

SPD-BAD: quo vadis?

Das Ergebnis der Europawahl ist begeisternd, das Ergebnis der Kommunalwahl enttäuschend. Begeisternd, da die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt verstärkt zur Wahl gegangen sind und damit den Rechtspopulisten gezeigt haben, dass Spaltung und antidemokratische Gesinnung keinen Platz in unserer Stadt haben.

Enttäuschend für einen Sozialdemokraten deshalb, weil die SPD in unserer Stadt faktisch politisch - aber auch tatsächlich – fast nicht mehr existent ist. Es braucht aber eine Sozialdemokratie. Es braucht sie in unserem Land und in unserer Stadt.

Braucht es in unserer Stadt aber eine solche Sozialdemokratie, wie sie sich die letzten 20 Jahre vor Ort präsentiert (wohl eher nichtpräsentiert) hat? Sicher nicht!

Die Ziele einer sozialdemokratischen Politik und die Personen vor Ort haben schlicht nichts miteinander gemein.

Der bittere Rest in den politischen Ämtern, der in Baden-Baden von sich behauptet Sozialdemokrat oder Sozialdemokratin zu sein, erinnert mehr an die Szenen in dem Film «Der Untergang», in dem meisterhaft filmisch dargestellt wird, wie eine kleine Truppe, die in einem Zustand des Wahns glaubt, der reinen Lehre zu folgen, jeden Bezug zum Realgeschehen verloren haben.

Die Wählerinnen und Wähler erleben den steten Verfall der Baden-Badener SPD, der durch die fortschreitende Mitgliedererosion gezeichnet ist mit dem zunehmenden schwerem Realitätsverlust der verbliebenen Funktionäre und Stadträte einhergeht. Obwohl das Voranschreiten des Niedergangs andauert, weigern sich die Verantwortlichen Funktionäre und Mandatsträger den Zustand aktiv zu verändern und den Weg für die Erneuerung der Partei frei zu machen.
Während sich die Wucht der niederschmetternden Wahlergebnisse mit aller Härte über dem verbleibenden Rest der SPD entlädt, entziehen sich die Funktionäre und Mandatsträger in Baden-Baden der Verantwortung.

Es bedarf – wieder einmal! – einer schonungslosen Analyse.

Die SPD in Baden-Baden hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich verloren. Darin ist sie die stärkste Kraft! Nicht nur an Prozenten, auch die Mitglieder selbst sind ihr abhandengekommen. Bei der Kommunalwahl 2014 hatte die SPD noch 16,94 Prozent. Nun, 2019, sind es 12,34 Prozent und damit ein neuerlicher Rückgang um 4,6 Prozent. Die schlauen Analysten im SPD-Bunker werden sicher sofort folgenden Erklärungen parat haben:

• Wir haben weniger verloren als im Bundes- und Landestrend (ergo: Wir machen alles richtig!)
• Die Wahlbeteiligung war höher, mithin eine höhere Mobilisierung der Grünen, daher ist das Ergebnis nachvollziehbar und eigentlich haben wir im Ergebnis gewonnen (Bunkermentalität)
• Die Themen Klimaschutz haben auch zu einer Beeinträchtigung der SPD auf kommunaler Ebene geführt (Warum nicht zu einer Chance?);
• Wir konnten die richtig besetzten Themen nicht ausreichend vermitteln;
• Es ist uns nicht gelungen, unsere Stammwählerschaft zu mobilisieren (Welche überhaupt noch?)
• Neu 2019: Wir haben unser (Wahl-) Ziel erreicht, stärker als AFD und FBB zu sein (Bitter, wenn der Vergleich nun mit diesen Parteien und Wählervereinigungen der einzige Lichtblick und Anspruch sein soll)

Die Erklärungen dafür, dass man selbst nicht verantwortlich ist, werden so zahlreich und kreativ sein, dass es gerade dieses Verhalten ist, das Wählerinnen und Wähler und insbesondere junge Menschen als abstoßend empfinden.

Die SPD macht keine erkennbare Kommunalpolitik in unserer Stadt. Die handelnden Akteure betreiben Politik aus narzisstischen Gründen und nicht aus gesellschaftlicher Verantwortung. Da ist es dann auch egal, wie das Ergebnis der Partei aussieht. Hauptsache ist, dass Mann/Frau selbst in den Gemeinderat kommt. Dafür muss es reichen, für mehr aber auch nicht. Es besteht also nicht einmal mehr im Ansatz der Wille bessere Wahlergebnisse zu holen, also wieder prozentual zuzulegen.

Die Verantwortlichen für den Niedergang der SPD in Baden-Baden sind namentlich der Stadtverbandsvorsitzende Werner Henn und der Ortsvereinsvorsitzende Paul Hausmann. Letzterer ist nun auch ein Opfer der eigenen politischen Unfähigkeit, da nicht mehr in den Gemeinderat gewählt. Ein politischer Aktivposten war er allerdings zu seiner Stadtrastzeit ohnehin nicht. Ebenso wie der ebenfalls nicht mehr gewählte Joachim Knöpfel.

Beide haben in den vergangenen 20 Jahren weder sozialdemokratische Politik noch einen halbwegs ordentlichen Wahlkampf gemacht. Der Kommunalwahlkampf der Partei 2019 – wie auch schon die vergangenen – war von Diletantismus und einer katastrophalen Organisation geprägt. Kandidatenprospekte wurden nicht an die Haushalte verteilt, Infostände angekündigt und dann nicht durchgeführt, ein Kommunalwahlprogramm wurde nie beschlossen, geschweige denn im Vorfeld diskutiert. Letzteres wiegt umso schwerer, als es wenig glaubwürdig ist, Bürgerbeteiligung zu fordern, die eigenen Mitglieder aber nicht an Willensbildungsprozessen zu beteiligen und sogar noch auszugrenzen.

Wäre bei den Verantwortlichen noch ein winziger Rest an politischem Anstand und/oder der Fähigkeit zur Selbstkritik vorhanden, würden sie zurücktreten und den Weg frei machen für eine Erneuerung der SPD. Dieser Erneuerungsprozess würde alleine schon in Baden-Baden aufgrund des durch die Verantwortlichen hinterlassenen Trümmerfeldes wiederum 20 Jahre in Anspruch nehmen. Wird der Erneuerungsweg nicht beschritten, dann wird bei der nächsten Kommunalwahl auf jeden Fall der «Bundesverdienstkreuzträger» Schmoll den Einzug in den Gemeinderat nicht mehr schaffen. Es sei denn, er wechselt vorher wieder zu den Grünen. Eine Option, die diesem Sozialdemokraten nicht fremd ist.

Sven Bohnert
Rechtsanwalt
Altstadtrat
ehemaliger SPD-Stadtverbandsvorsitzender
ehemaliger Juso-Kreisvorsitzender
ehemaliger Juso AG-Sprecher Baden-Baden
ehemaliger Ersatzkandidat für die Landtagswahl
- ein Bundesverdienstkreuzträger -


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