Disziplinarmaßnahmen nichtig

„Heil dem Führer aus der Pfalz“ – Verwaltungsgericht entscheidet über Disziplinarmaßnahmen gegen Ortsvorsteher von Stollhofen

„Heil dem Führer aus der Pfalz“ – Verwaltungsgericht entscheidet über Disziplinarmaßnahmen gegen Ortsvorsteher von Stollhofen
Das Gasthaus "Rössle" in Söllingen stand lange als Treffpunkt von Rechtsradikalen im Focus. Foto: archiv

Rheinmünster/Karlsruhe, 19.02.2022, Bericht: Redaktion Bürgermeister Helmut Pautler hat es nicht leicht mit seiner Gemeinde und deren fünf Ortsteilen Greffern, Hildmannsfeld, Schwarzach, Söllingen und Stollhofen.

In Söllingen, wo jahrzehntelang die kanadischen Streitkräfte stationiert waren und danach der Baden-Airpark mit dem zivilen Flughafen Karlsruhe Baden-Baden entstand, hatte der Bürgermeister jahrelang ein Nazi-Problem. Rechtsradikale trafen aus Deutschland, Frankreich und Österreich trafen sich zu Großveranstaltungen im Gasthaus «Rössle» und brachten die ganz Gemeinde in die Schlagzeilen.

Nun hatte Bürgermeister Helmut Pautler sich mit einem Ortsvorsteher herumzuschlagen der ihm eine E-Mail sendete und ihn darin mit «Heil dem Führer aus der Pfalz» grüßte. Die von Helmut Pautler auf den Weg gebrachten Disziplinarmaßnehmen gegen den Ortsvorsteher von Stollhofen wurden durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe als «nichtig» erachtet. Das Gericht begründete sein Urteil ausführlich.

Erklärung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe von Freitag, 18. Februar 2022, im Wortlaut:

 

Die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Urteilen vom 24.01.2022, deren schriftliche Gründe den Beteiligten zwischenzeitlich übermittelt wurden, zwei Verfahren bezüglich der Disziplinarmaßnahmen, die die Gemeinde Rheinmünster gegen den Ortsvorsteher eines ihrer Ortschaften erlassen hatte, deren Bestätigung das Landratsamt Rastatt und das Regierungspräsidium Karlsruhe aber abgelehnt hatten, entschieden. Im April 2021 ließ der Bürgermeister der Gemeinde eine E-Mail an die drei Ortsvorsteher versenden, in der er darum bat, wegen der derzeitigen pandemischen Lage von Besuchen im Namen der Gemeinde bei Ehe- und Altersjubilaren abzusehen. Am gleichen Tag versandte einer der Ortsvorsteher eine kurze Antwort-E-Mail mit dem Schlusssatz «Heil dem Führer aus der Pfalz». Daraufhin erließ der Bürgermeister Disziplinarmaßnahmen gegen den Ortsvorsteher, nämlich seine Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis – die allerdings unter der Bedingung der Bestätigung durch das Landratsamt Rastatt als Aufsichtsbehörde stand – und seine vorläufige Dienstenthebung. Im Folgenden entschieden sowohl das Landratsamt als auch – im Widerspruchsverfahren – das Regierungspräsidium Karlsruhe, die Bestätigung nicht zu erteilen. Das Verwaltungsgericht hatte nun in zwei getrennten Verfahren des Ortsvorstehers gegen die Gemeinde sowie der Gemeinde gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt, zu entscheiden.

In dem Klageverfahren des Ortsvorstehers hat die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts die gegen diesen gerichteten Disziplinarmaßnahmen aufgehoben. Der handelnde Bürgermeister sei wegen Befangenheit nicht zur Entscheidung befugt gewesen. Denn der gegen den Ortsvorsteher gerichtete Vorwurf habe darin bestanden, dass er den Bürgermeister selbst beleidigt habe. Dies habe abstrakt befürchten lassen, dass letzterer nicht ausschließlich sachorientiert und mit der gebotenen inneren Distanz handeln werde. Deswegen hätte sich der Bürgermeister entweder von sich aus oder auf Anordnung des Landratsamts der Mitwirkung an dem Disziplinarverfahren enthalten müssen. Dass er dennoch mitgewirkt habe, stelle einen so schweren und offenkundigen Verfahrensfehler dar, dass die erlassenen Disziplinarmaßnahmen nichtig seien. In dem Klageverfahren der Gemeinde hat die Kammer es aus den gleichen Gründen abgelehnt, das beklagte Land zur Bestätigung der Entfernung des Ortsvorstehers aus dem Ehrenbeamtenverhältnis zu verpflichten. Im Ergebnis sei lediglich der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums aufzuheben, da kein Widerspruchsverfahren durchzuführen und folglich auch kein Widerspruchsbescheid zu erlassen gewesen sei.

Die Urteile (DL 17 K 2433/21 und DL 17 K 3966/21) sind noch nicht rechtskräftig. Die jeweiligen Beteiligten können hiergegen die Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim beantragen.


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