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Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Rathauses Baden-Baden ein – Angeblich „Irrtum“ – Einstellung rechtzeitig zur nichtöffentlichen Sitzung des Hauptausschusses

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Rathauses Baden-Baden ein – Angeblich „Irrtum“ – Einstellung rechtzeitig zur nichtöffentlichen Sitzung des Hauptausschusses
Foto: Archiv

Baden-Baden, 20.07.2023, Bericht: Redaktion In der nichtöffentlichen Sitzung des Hauptausschusses am Montag stand unter anderen Themen die Beförderung eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung auf der Tagesordnung. Gegen diesen Mitarbeiter hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Nötigung eingeleitet.

Hintergrund war eine von Stadtrat und SWR-Mitarbeiter Werner Henn angemeldete Demonstration auf der Fieser-Brücke. Die beiden Organisationen Pulse of Europe und Europa Union waren dort als Organisatoren präsent. Für die Europa Union Baden-Baden ist Werner Henn tätig. Während der Demonstration kam es durch einen Ordner zu einer Behinderung der Pressearbeit der goodnews4-Redakteurin Nadja Milke. Ein VIDEO zeigt einen Teil der Vorgänge.

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Ein Gesetz, das die Behinderung der Pressearbeit unter Strafe setzt, gibt es in Deutschland nicht. So erfolgte eine Anzeige wegen Nötigung gegen den Mitarbeiter der Stadtverwaltung Baden-Baden, der nicht für die Stadtverwaltung als Ordner im Einsatz war, sondern für die Veranstalter der Demonstration. Die Veranstalter haben sich für die Vorgänge bis heute nicht entschuldigt.

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Für die Organisation Pulse of Europe, die angeblich auch die Pressefreiheit verteidigt, hatte sich die SWR-Mitarbeiterin Evelin König bei goodnews4.de gemeldet, die sich auf die Seite des rabiaten Ordners schlug und die goodnews4-Redakteurin beschuldigte, sie habe mit ihrer Anwesenheit den Angriff des Ordners provoziert. Auch von ihr gab es trotz der vorliegenden VIDEO-Bilder keine Entschuldigung bei ihrer Kollegin.

FDP-Fraktionschef Rolf Pilarski hatte die Vorgänge im Gemeinderat zur Sprache gebracht. In einem Antrag der AfD-Fraktion sollte die Beförderung des als Ordner tätigen Mitarbeiters im Zusammenhang der laufenden Ermittlungen am vergangenen Montag nochmals erörtert werden. Oberbürgermeister Späth soll in der Sitzung überraschend berichtet haben, dass die Ermittlungen gegen seinen Kollegen eingestellt worden seien. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Baden-Baden sei «der Einstellungsbescheid am 12.07.2023 von der Serviceeinheit herausgegeben, ging dann – wahrscheinlich – am 13.07.2023 zur Post», erklärte die Staatsanwaltschaft auf goodnews4-Anfrage. Im günstigen Fall hätte dann der Verteidiger des beschuldigten Rathausmitarbeiters die postalische Nachricht am Freitag, dem 14. Juli erhalten. Gerade noch rechtzeitig zur nichtöffentlichen Sitzung des Hauptausschusses am 17. Juli. Die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass der Brief an die betroffene goodnews4-Redakteurin am 13. Juli 2023 zur Post ging, bestätigte sich nicht. Der Stempel trägt das Datum 14. Juli 2023. Erst gestern, am 19. Juli 2023, war das Schreiben im Briefkasten. Warum die Stadtverwaltung das Schreiben Tage vorher erhalten konnte, ist unklar.

 

Der Text der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft Baden-Baden im Wortlaut:

Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gründe:

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, er habe am 25.02.2023 gegen etwa 13:00 Uhr auf der Fieserbrücke in Baden-Baden anlässlich der Kundgebung zum Thema «Baden-Baden für den Frieden» die Journalistin Nadja Milke-Frietsch beleidigt und dazu genötigt oder jedenfalls zu nötigen versucht, ihre Ton- und Bildaufnahmen nicht oder nicht in der beabsichtigten Weise fortzusetzen.

Die Ermittlungen bieten nicht genügend Anlass, öffentliche Klage zu erheben. Es fehlt am dafür nötigen hinreichenden Verdacht einer verfolgbaren Straftat. Mit den nach Aktenlage zur Verfügung stehenden Beweismitteln ist eine Verurteilung nicht wahrscheinlich.

Eine Verurteilung wegen Beleidigung kommt nicht in Betracht. Unabhängig von der ungeklärten Frage, was der Beschuldigte in ehrverletzender Weise über die Zeugin Milke-Frietsch geäußert haben soll, wurde der zur Verfolgung unerlässliche Strafantrag insoweit nicht gestellt.

Eine Verurteilung wegen eines allein noch näher zu untersuchenden Nötigungsdelikts ist nicht wahrscheinlich. Die Zeugin Milke-Frietsch berichtet, der Beschuldigte habe zunächst seine Hand und anschließend seinen Arm vor die optische Linse des Aufnahmegeräts gehalten und sich danach für kurze Zeit mit seinem Körper vor das Aufnahmegerät gestellt. Dadurch sei sie gehindert gewesen, ihre Aufnahmen fortzusetzen. Dies erfüllt die Anforderungen an eine strafbare Nötigung nicht.

Wegen Nötigung wird gemäß § 240 StGB bestraft, wer in verwerflicher Weise Gewalt anwendet oder mit ihr oder einem sogenannten empfindlichen Übel droht, um den Willen des Genötigten zu beugen und ihn zu einer Handlung, Duldung oder einem Unterlassen zu veranlassen. Daran fehlt es hier. Eine definitionsgemäß in die Zukunft gerichtete Drohung, Gewalt anzuwenden oder durch den eigenen Einfluss einen empfindlichen Nachteil eintreten zu lassen, scheidet von vornherein aus.

Das Geschehen vom 25.02.2023 ist daher unter Nötigungsgesichtspunkten allein im Hinblick auf den Einsatz von Gewalt zu prüfen. Gewalt ist der körperlich vermittelte Zwang zur Überwindung eines tatsächlich geleisteten oder lediglich erwarteten Widerstands und setzt nach den in der Rechtsprechung dazu entwickelten, nach wie vor umstrittenen Grundsätzen eine gewisse Kraftentfaltung oder zumindest eine solche Wirkung voraus. Rein psychische Auswirkungen sind jedenfalls ausgeschlossen. Auf das Merkmal der Kraftentfaltung wurde weitgehend, aber nicht vollständig verzichtet. Als Gewalt im Sinne des § 240 StGB wurde von den Fachgerichten unter anderem das Versperren des Weges oder beispielsweise das mittels Streikposten unternommene Hindern arbeitswilliger Beschäftigter am beabsichtigten Zugang zum Arbeitsplatz durch Spießrutenlaufen gewertet. Das Bundesverfassungsgericht hat indes in seinen wegweisenden, wenngleich vielfach kritisierten Entscheidungen zu Sitzblockaden bislang zuletzt am 10.01.1995 (BVerfGE 73, 76 ff, 211) entschieden, die sogenannte erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs verstoße in diesem Zusammenhang gegen die Verfassung, soweit die Gewalt lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Genötigten nur psychischer Natur ist. Hier hat der Beschuldigte lediglich seine körperliche Anwesenheit genutzt. Er hat der Zeugin Milke-Frietsch weder das Aufnahmegerät weggenommen, noch sie durch Kraftaufwand daran gehindert, einen bestimmten Ort aufzusuchen oder zu verlassen, ihre Bewegungsfreiheit also nicht eingeschränkt.

Auch wenn es hier durch den bewussten Aufenthalt des Beschuldigten zwischen der Zeugin und dem von ihr beobachteten Geschehen dazu kam, dass der Beschuldigte bewusst ein Hindernis bereitete, geht dies zumindest unter Berücksichtigung der Dauer und der Art und Weise des Verhaltens des Beschuldigten noch nicht über die bloße körperliche Anwesenheit an einem bestimmten Ort hinaus. Neben dem Umstand, dass es der Journalistin nicht ohne Weiteres möglich war, sofort und ohne Unterbrechung in der von ihr gewünschten Weise Bild- und Tonaufnahmen herzustellen, muss andererseits auch die nur kurze Dauer der Beeinträchtigung, die auch in Bezug auf das zu dokumentierende Geschehen keine überragende Bedeutung erlangte, gesehen werden. Das nach Aufklärung des Irrtums eingestellte Verhalten des Beschuldigten geht über eine bloß lästige Behinderung nicht hinaus. Eine Verurteilung wegen Nötigung oder wegen eines Nötigungsversuchs wird daher nicht erfolgen können. Andere Strafvorschriften kommen nicht ernsthaft in Betracht. Im Falle einer gedachten Hauptverhandlung müsste nach Durchführung der Beweisaufnahme und Erhebung aller nach Aktenlage zur Verfügung stehenden Beweismitteln auf der so zu erlangenden Tatsachengrundlage voraussichtlich Freispruch erfolgen. Für die Erhebung der öffentlichen Klage ist daher hier kein Raum.




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