Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Umstieg vom Auto aufs Fahrrad wird erfolgreich sabotiert“ – Zu den Meinungen von Stadtrat Werner Schmoll und Leserbrief Jehl

Baden-Baden, 23.09.2021, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Oliver Haungs Stellung zu dem goodnews4-Bericht Stadtrat Werner Schmoll erinnert Alexander Uhlig an seine eigentlichen Aufgaben − Aufpflasterung auf der Grünen Einfahrt und dem Leserbrief von goodnews4-Leser Rainer Jehl Leserbrief "Meine Meinung" − "Werner Schmolls Grüne Fahrradstreckenpolitik" − "Fahrrad-Porsche mit Elektromotor".

Die Verkehrspolitik in Baden-Baden erweckt den Eindruck eines Narrenschiffs. Erst geschieht in Sachen Fahrradinfrastruktur Jahrzehnte lang gar nichts. Dann wird der bundesweite Startschuss durch Pedelecs und E-Bikes, sowie die aufkommende dynamische Trendentwicklung beim Umstieg aufs Fahrrad durch Corona in Baden-Baden glatt und komplett verschlafen. Schon immer musste der Stadtverwaltung jeder Zentimeter Fahrradweg langwierig und mühsamst abgebettelt werden, weil in den Fachabteilungen kein Hauch einer Vision oder Perspektive vorherrscht, wie sich der Bedarf in der nahen oder ferneren Zukunft entwickeln könnte und wie man diesen mit der Stadtentwicklung und -planung lenkend begleiten könnte. Wie auch, wenn es niemand gibt, der sich hauptamtlich darum kümmert.

Die aktuell angestoßene Diskussion der Herren Schmoll und Jehl zeigen aufs Schlimmste, dass man nichts kapiert hat. Obwohl gerade vor der Asphaltierung der Grünen Einfahrt vom ADFC darauf hingewiesen wurde, dass den beiden Verkehrsströmen des Fußgängerverkehrs und der Radelnden jeweils ein eigener Verkehrsraum zugewiesen werden muss, hat man die Hinweise abprallen lassen. Der Vorschlag eines RSW wurde ausgelacht. Jetzt fallen einem die Konsequenzen falscher Politik schmerzhaft auf die Füße. Aller Verkehr musste auf eine Piste, vom krabbelnden Kleinkind, über normale Fußgänger, joggende Sporttreibende bis zu gebrechlichen Alten mit Rollator. Und da dieser Cocktail noch viel zu langweilig war, muss auf die gleichen wenigen Meter Asphalt auch noch das Kleinkind mit Kinderrad oder -roller, der gemeine Pendler mit und ohne E-Antrieb, der Rennradfahrer und der Mountainbiker. Zum Schluss krönen dann noch Skateborder und E-Scooter das Chaos. Dass so ein zusammengewürfelter Verkehrshaufen niemals konfliktfrei funktionieren kann auf dem schmalen vorgehaltenen Wegeband bedarf keiner weiteren Erklärung und hat man bewußt so haben wollen.

Natürlich schreit dieses Chaos nach den wildesten Stilblüten hektischen Aktionismuses, um die totale Anarchie auf dem Asphalt zu verhindern, anstatt schlicht die Verkehre zu trennen und jedem seinen eigenen Raum zur Verfügung zu stellen. Der umweltpolitisch so dringend notwenige Umstieg vom Auto aufs Fahrrad wird hier soeben erfolgreich sabotiert. Die mühsam aufs Rad gelockten Pendelnden werden wieder vergrault und zurück ins Auto geschickt, sollte man ihnen abverlangen, im Schneckentempo mit 5 oder 10 km/h das Oostal hinunterzukriechen oder ein generelles Tempolitmit von 20 km/h einzuführen.

 

Zu den bereits angesprochenen Schikanen und Garstigkeiten sollte unbedingt noch über Laser gestützte Radarüberwachung sowie Induktionsschleifen mit Blitzkasten inklusive Gesichtserkennungsprogramm nach chinesischem Vorbild für Radfahrende, elektrisch ausfahrende Metallkrallen gekoppelt an laut aufheulende Sirenen für «Raser», die mit schwindelerregenden 21,5 km/h gen Baden-Oos preschen, nachgedacht werden. Auch Markierungen auf dem Asphalt, analog dem PKW-Verkehr, einhergehend mit einer Helikopter Luftüberwachung scheint mehr als angebracht, um diesen stürmenden Fahrradteufeln den Garaus zu machen. Und damit auch der Amtsschimmel kräftig wiehern kann, sollte auch der Gedanke ernsthaft ins Auge gefaßt werden, das Flensburger Verkehrsregister um eine Fahrradsparte zu erweitern oder alternativ speziell in Baden-Baden eine eigene Behörde dafür zu schaffen. Ein Punkte-Katalog ist schnell aus der Taufe gehoben. Nach drei Punkten droht die charakterliche Eignungsprüfung zum Führen eines Fahrrades (Idiotentest), bei 4 Punkten droht die befristete Zwangskonfiszierung des fahrbaren Untersatzes, bei 5 Punkten die dauerhafte Enteignung einhergehend mit einem Fahrverbot auf Lebenszeit - Ironie aus! Und das alles nur um die Auswirkungen einer kläglich gescheiterten Verkehrspolitik wenigstens nicht ins völlige Chaos ausarten zu lassen. Ganz nebenbei bemerkt ist gegenseitige Rücksichtnahme nicht nur eine Obliegenheit der Radelnden, sondern selbstverständlich von jedem Verkehrsteilnehmer, auch von zu Fuß Gehenden.

Sollte auch nur eine einzige schikanösen Zwangsmaßnahmen eingeführt werden, steige ich wieder ins Auto und fahre fortan mit diesem pendelnd zur Arbeit nach Baden-Baden. Wenn ich als Fahrradpendler von der Lichtentaler Allee zum Bahnhof in Baden-Oos länger brauche als von dort nach Hause nach Muggensturm, dann sollte man ganz schnell reflektieren und begreifen welchen Schaden man mit einem solchen Regulierungs- und Bevormundungswahn anstellt, bevor es zu spät ist. Und, hallo aufwachen(!): Pendler Radverkehr legt heutzutage regelmäßig nicht mehr nur 2 bis 5 km einfache Wegstrecke zurück, sondern bis zu 25, 30 km oder mehr. Wenn das durch die Ideen der Herren Schmoll und Jehl einen Zeitaufwand von 1 1/2 bis zwei Stunden (oder mehr) je Wegstrecke verursacht, ist diese umweltrfreundliche Alternative gestorben. Außerdem: Verkehrsrowdies gibt es in allen Verkehrsgruppen, ob zu Fuß Gehende, Radfahrende oder KFZ-Lenkende. Diese wenigen rücksichtslosen Einzelexemlpare aus dem Verkehr zu ziehen ist legitim, ja Pflicht. Die Fahrradfahrenden unter den Generalverdacht der rücksichtlosen Raserei zu stellen ist diskriminierend und perfide. Dass alle anderen Kommunen einen anderen (konstruktiven) Weg gehen, zeigt, dass Baden-Baden noch eine schweren Lernprozess vor sich hat.

Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen im Rathaus der Versuchung erfolgreich widerstehen mit Übergriffigkeiten den Elefant im Porzellanladen mimen zu müssen, um die Spärlichkeiten des bisher Erreichten durch borniertes Parteiengeplänkel in Schutt und Asche zu legen. Baden-Baden hat endlich eine substantielle Radverkehrspolitik mit Perspektive verdient.

Oliver Haungs

Muggensturm


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