Kommentar und Interview zum Synagogenstreit

"Verantwortung für den Umgang mit den Juden" - "Bürger und Bürgerinnen haben ein Recht zu erfahren, wie die Dinge gelaufen sind"

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goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit René Lohs

Baden-Baden, 10.03.2018, 00:00 Uhr, Kommentar: Christian Frietsch «Bürger und Bürgerinnen haben ein Recht zu erfahren, wie die Dinge gelaufen sind», fordert FDP-Kreisvorsitzender René Lohs in einem goodnews4-O-TON-Interview nach seiner Presseerklärung vom Dienstag. goodnews4.de berichtete.

Der Baden-Badener Synagogenstreit mit seinen vielen Facetten wird im politischen Baden-Baden aber nur zaghaft und verklemmt auseinandergesetzt und die Informationen aus dem Rathaus laufen nur spärlich. Über zwei Gründe dafür kann mam sprekulieren. Erstens: Die umstrittene Baden-Badener Oberbürgermeisterin will gerne im Amt bleiben, da hilft ein gutes Verhältnis zu den Medien. Zweitens: Die Gesellschafter des Badischen Tagblatts möchten ihr Grundstück der alten Synagoge behalten und dies möglicherweise möglichst gut verwerten, da hilft ein gutes Verhältnis zur Stadtverwaltung.

Als erster Baden-Badener Kommunalpolitiker hat René Lohs diese unselige Mengenlage am vergangenen Dienstag mutig aufgezeigt. Auch auf die Gefahr hin, dass er bei den Beteiligten in Ungnade fällt. Dieses Risiko gehen die Mitglieder des Baden-Badener Gemeinderats nicht ein. «Nicht einmischen», heißt unter vorgehaltener Hand dort die Devise, mit dem Hinweis wie zerstritten die Juden doch sind. Der Ältestenrat, also die Fraktionschefs der Parteien und Wählervereinigungen, wurde durch die Oberbürgermeisterin unterrichtet. Man habe die Mitglieder informiert, hatte Kurt Hochstuhl daraufhin für seine SPD erklärt. Das war wohl alles in Sachen Meinungsbildung.

Es ist kein Kraut gewachsen gegen die mächtige Allianz, auf die sich die Rathausspitze eingelassen hat, könnte man meinen. Doch René Lohs warnt ein zweites Mal. Die fehlende Courage für eine öffentliche Diskussion könnte Baden-Baden auf die Beine fallen. «Das Thema ist äußerst sensibel. Das weiß jeder und das hätten auch die politisch Verantwortlichen in der Stadt wissen müssen. Deshalb ist es überhaupt nicht möglich, das zu verschweigen oder kleinzureden. Es muss darüber öffentlich diskutiert werden, weil sonst das Ansehen unserer Stadt in Gefahr ist. Es geht schlicht und ergreifend darum, wie die Stadt Baden-Baden mit ihrer Geschichte umgeht. Die Verantwortung, die wir in Deutschland und auch hier jetzt speziell die Baden-Badener für den Umgang mit den Juden hier in Baden-Baden hatten, die muss man wahrnehmen.»

Mit knappen Antworten ging das Baden-Badener Rathaus auf eine goodnews4-Anfrage zu möglichen Pläne für eine künftige Nutzung des Grundstücks der alten Synagoge ein:

goodnews4: Sind Ihnen Pläne bekannt für eine eventuelle zukünftige Nutzung der Grundstücke, die dem Verlag bzw. Gesellschaftern des Badischen Tagblatts in der Innenstadt gehören?

Stadtverwaltung: Nein.

goodnews4: Gab es dazu bisher formale oder informelle Anfragen oder Gespräche?

Stadtverwaltung: Nein.

goodnews4: Wie wäre denn das weitere Verfahren, wenn die jetzigen Eigentümer der Grundstücke dort Wohnungsbau planen würden?

Stadtverwaltung: Sollte dort gebaut werden, ist ein Bauantrag zu stellen, über den die Stadtverwaltung dann zu befinden hat.

goodnews4: Gilt dort der Paragraph 34 BauGB?

Stadtverwaltung: Ja.

goodnews4: Gibt es aus Ihrer Sicht rechtliche oder politische Einschränkungen in Zusammenhang mit dem Grundstück der alten Synagoge?

Stadtverwaltung: Das Grundstück ist in privater Hand. Es wurde bereits 1955 von der Israelitischen Kultusgemeinde an privaten Unternehmer verkauft.


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit René Lohs:

goodnews4: In einer Presserklärung kritisieren Sie einerseits die Gesellschafter des Badischen Tagblatts und andererseits die Rathausspitze in Baden-Baden in Zusammenhang mit der Diskussion um den Synagogen-Standort. Die Rathausspitze ist ja nicht die einzige politische Kraft in Baden-Baden. Was sollte denn jetzt geschehen, politisch?

René Lohs: Politisch müsste vor allen Dingen geschehen, dass sich der Gemeinderat mit der Thematik beschäftigt und nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern offen und transparent.

goodnews4: Erwarten Sie eine Diskussion in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung?

René Lohs: Das Thema ist jetzt in der Öffentlichkeit und das lässt sich jetzt auch nicht verschweigen. Mit dem Bauantrag, der gestellt wurde, ist auch eine öffentliche Diskussion verbunden und die Bürger und Bürgerinnen der Stadt haben ein Recht darauf zu erfahren, wie die Dinge dort gelaufen sind.

goodnews4: Sie sind ja auch Rechtsanwalt. Was könnte denn nach Bekanntwerden des «Profan-Paragrafen» im Kaufvertrag für das Synagogengrundstück von 1955 möglicherweise auf rechtlichem Wege geschehen?

René Lohs: Jetzt müsste man dann überlegen, welche rechtliche Bedeutung diese Klausel hat und welche Auswirkungen sie auf die jetzige Diskussion um eine Überbauung haben kann. Letztendlich muss aber die jüdische Gemeinde aktiv werden und ihre Rechte einfordern.

goodnews4: Haben Sie denn eine Einschätzung über die rechtliche Bedeutung des «Profan-Paragrafen»?

René Lohs: Es könnte durchaus sein, vorbehaltlich natürlich einer intensiven Prüfung, die ich bisher auch noch nicht durchgeführt habe, könnte es sein, dass die Verwertung, über die jetzt nachgedacht wird, nicht in Betracht kommt.

goodnews4: Sehen Sie durch die von Ihnen kritisierte Vorgehensweise auch das Ansehen unserer Stadt auf dem Spiel stehen?

René Lohs: In jedem Fall. Das Thema ist äußerst sensibel. Das weiß jeder und das hätten auch die politisch Verantwortlichen in der Stadt wissen müssen. Deshalb ist es überhaupt nicht möglich, das zu verschweigen oder kleinzureden. Es muss darüber öffentlich diskutiert werden, weil sonst das Ansehen unserer Stadt in Gefahr ist. Es geht schlicht und ergreifend darum, wie die Stadt Baden-Baden mit ihrer Geschichte umgeht. Die Verantwortung, die wir in Deutschland und auch hier jetzt speziell die Baden-Badener für den Umgang mit den Juden hier in Baden-Baden hatten, die muss man wahrnehmen.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

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