Gastkommentar
Gastkommentar zum Bürgerentscheid in Baden-Baden am 29. Juni 2025 – Von Mark Lopatecki

Baden-Baden, 17.06.2025, Bericht: Redaktion In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de schon seit einigen Jahren Gastbeiträge. Zu den Autoren gehören unter anderen der Baden-Badener Autor Franz Alt und der Dozent Prof. Thomas Bippes. Dieses Format wird unsere Zeitung anlässlich des Bürgerentscheids in Baden-Baden in den nächsten Wochen bis zum 29. Juni 2025 ausweiten.
Als Gastkommentatoren hat goodnews4.de Amts- und Mandatsträger und auch Opinion Leader aus Baden-Baden in einem ausgewogenen Verhältnis von pro und contra «Ja zum Klinikstandort Baden-Baden» angefragt. Dazu gehören auch der Baden-Badener Oberbürgermeister und die Vertreter von Fraktionen aus dem Gemeinderat von Baden-Baden.
Gastkommentar von Dr. med. Mark Lopatecki, Verein Pro Klinikum Baden-Baden i.Gr.:
Gesundheit neu denken – Warum Mittelbaden mehr braucht als neuen Beton
Die Debatte um den Standort der Zentralklinik Mittelbaden bewegt die Region. Zwischen der Sorge um wohnortnahe Versorgung und der Hoffnung auf moderne Medizin droht jedoch die eigentliche Frage aus dem Blick zu geraten: Wie gestalten wir eine Gesundheitsversorgung der Zukunft – wohnortnah, digital vernetzt, ökologisch verantwortlich und menschlich?
Was passiert, wenn die Entscheidung auf Baden-Baden fällt? Die Integration des bestehenden Klinikgebäudes in den geplanten Neubau wäre mehr als eine bauliche – sie wäre eine symbolische Entscheidung. Sie würde zeigen: Gesundheitsplanung beginnt nicht auf der grünen Wiese, sondern auf gewachsenen Strukturen. Der Altbau in Balg steht nicht für Rückschritt, sondern für Kontinuität und Identität. Seine Einbindung in ein modernes Klinikensemble verbindet Tradition mit Innovation – und spart Ressourcen, Fläche und CO₂. Nachhaltigkeit beginnt nicht bei der Solaranlage, sondern bei der Frage: Was können wir erhalten?
Doch so wichtig die bauliche Dimension ist: Eine Klinik ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Baustein des Gesundheitswesens – und muss sich in ein tragfähiges Versorgungskonzept einfügen. Ein Neubau, und sei er noch so fortschrittlich, nützt wenig, wenn er nicht in eine vernetzte, patientenorientierte Struktur eingebettet ist.
Erstens: Die Klinik muss gut erreichbar sein – nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit Bus, Bahn, Fahrrad und für den Rettungsdienst. Der Standort in Balg bietet hierfür grundsätzlich gute Voraussetzungen, wenn Mobilitätskonzepte von Anfang an mitgedacht werden. Versorgungsgerechtigkeit heißt: Niemand darf ausgeschlossen werden – weder durch Entfernung noch durch fehlende Anbindung.
Zweitens: Der Erfolg hängt nicht allein von der Architektur ab, sondern von den Prozessen im Innern. Ein zukunftsfähiges Klinikum arbeitet digital, effizient und interdisziplinär: elektronische Patientenakten, Telekonsile, sektorübergreifende Kommunikation zwischen Klinik, Hausarzt und Pflege. Das Ziel: Versorgung aus einem Guss – nicht aus mehreren Aktenordnern.
Drittens: Die Zentralklinik muss Zentrum eines Netzwerks sein – kein Monolith. Die Gesundheitsversorgung darf nicht auf einen Ort schrumpfen. Medizinische Versorgungszentren (MVZ), mobile Dienste, Gesundheitskioske oder digitale Sprechstunden sind nötig, um die Fläche mit Leben zu füllen. Eine moderne Klinik entlastet die Fläche nicht – sie braucht sie.
Viertens: Die Kombination aus Alt- und Neubau kann Modellcharakter haben – ökologisch, wirtschaftlich, sozial. Statt Neubau um jeden Preis – intelligente Weiternutzung: Das schafft Identifikation, bindet Personal und schont Ressourcen. Angesichts steigender Baukosten und ökologischer Herausforderungen ist das ein mutiger, richtiger Weg.
Fünftens: Ein Zentralklinikum ist kein starres Konstrukt, sondern ein dynamisches System, das sich an veränderte Bedingungen flexibel anpassen muss. Erweiterbarkeit und Anpassungsfähigkeit müssen von Beginn an mitgedacht werden.
Sechstens: Die Zentralisierung medizinischer Leistungen ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar – durch Synergieeffekte bei Personal, Technik und Energie. Doch die Gesundheitsversorgung ist kein rein ökonomisches Gut. Sie ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und unterliegt dem Sozialstaatsprinzip. Deshalb muss das Patientenwohl stets im Vordergrund stehen.
Die Entscheidung über die Zentralklinik ist kein gewöhnliches Infrastrukturprojekt – sie ist ein Prüfstein: Wie ernst meinen wir es mit einer patientenorientierten, nachhaltigen und gerechten Gesundheitsversorgung? Der Standort Baden-Baden könnte Vorreiter werden – wenn Stadt, Kreis und Leistungserbringer nicht um Einfluss, sondern um das beste Konzept ringen. Nicht für den spektakulärsten Neubau, sondern für die beste Versorgung.
Mittelbaden braucht keine Hochglanzklinik – sondern ein robustes, gerechtes und zukunftsfähiges Gesundheitsnetzwerk.
Mittelbaden braucht mehr als neue Mauern – es braucht ein neues Verständnis von Gesundheit. Die Einbindung des Alten in das Neue kann dabei ein Anfang sein. Deshalb «Ja!» beim Bürgerentscheid am 29. Juni 2025 in Baden-Baden.
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