Gastkommentar

Kommentar von Thomas Bippes zur Initiative der Baden-Badener CDU – „Es macht keinen Sinn, Google mit lokalen Verkaufsplattformen ohne Sichtbarkeit kopieren zu wollen“

Kommentar von Thomas Bippes zur Initiative der Baden-Badener CDU – „Es macht keinen Sinn, Google mit lokalen Verkaufsplattformen ohne Sichtbarkeit kopieren zu wollen“
Thomas Bippes, Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement und Gesellschafter einer Online Marketing Agentur in Baden-Baden. Foto: Fotostudio Fritz

Baden-Baden, 27.11.2020, Bericht: Redaktion Zum Thema stationärer Einzelhandel versus Online-Handel nimmt Thomas Bippes in einem Kommentar Stellung. In seinem Kommentar geht er auch ein auf die Initiative der Baden-Badener CDU-Fraktion, die die Plattform Locarno ins Spiel brachte. goodnews4.de berichtete. «Es macht keinen Sinn, Google mit lokalen Verkaufsplattformen ohne Sichtbarkeit kopieren zu wollen», urteilt Thomas Bippes.

Die Plattform Locamo habe «keinerlei relevante Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen von Google, Bing & Co». Zur Ehrlichkeit gehöre: «Eine Onlineplattform und ihre Sichtbarkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.» Thomas Bippes, Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Hochschule Heidelberg, gibt auch eine Empfehlung, in welcher Rolle die Stadt Baden-Baden den Einzelhändlern helfen könnte. «Die städtische Wirtschaftsförderung sollte diese Initiative begleiten. Dazu gehören klassische Instrumente wie verkaufsoffene Sonntage und kostenloses Parken, um einen möglichst barrierefreien Zugang zum Einzelhandel zu schaffen. Mit ihrer Forderung nach zwei Stunden freies Parken in den städtischen Parkgaragen an den vier Adventssamstagen ist die CDU-Stadtratsfraktion auf dem richtigen Weg.»

In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt, der Künstler und Aktivist Gerd Weismann und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet. Thomas Bippes ist Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Hochschule Heidelberg und Gesellschafter der Online Marketing Agentur SEO & REPUTATION in Baden-Baden

Lokale Konkurrenz zu Einzelhandelsriesen wird erfolglos bleiben – Thomas Bippes

Kommentar: Thomas Bippes Die Krise des stationären Einzelhandels in den Innenstädten ist kein neues Phänomen. Die Corona Pandemie wirkt lediglich wie ein Beschleuniger einer Entwicklung, die kaum aufzuhalten ist. Die goldenen Zeiten des städtischen Einzelhandels waren schon vor der Pandemie vorbei. So schätzte das Institut für Handelsforschung in einer Prognose vor der Corona Krise, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu 64.000 Handelsunternehmen in Deutschland vom Markt verschwinden könnten. Einzelhandel, Hotels und Gastronomie sind ohne Frage die Hauptverlierer in der Pandemie. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit einem dramatischen Arbeitsplatzverlust. Das Bruttoinlandsprodukt werde durch einen Lock Down light bis Ende November um ein Prozent sinken, prognostiziert IW Direktor Michael Hüther – und in diese Zahl fließt der jetzt verlängerte Lock Down noch nicht mit ein. Das IW rechnet damit, dass 591.000 Menschen in diesem Jahr ihren Job verlieren. Es ist gut und richtig, dass sich die CDU in Baden-Baden als einzige politische Kraft Gedanken darüber macht, wie dem leidenden Einzelhandel gerade mit Blick auf den eigentlich umsatzstarken Dezember geholfen werden kann. Doch braucht es dafür eine Kombination unterschiedlicher Initiativen. Die Digitalisierung allein ist nicht das Allheilmittel.

Die Digitalisierung des lokalen Einzelhandels kann eine von mehreren Säulen sein, um die Umsätze anzukurbeln. Schließlich wirkt die Corona Pandemie wie ein Katalysator auf die digitale Transformation. Doch nach wie vor ist der Online Handel für viele insbesondere kleinere inhabergeführte Geschäfte in den Innenstadtlagen ein Buch mit sieben Siegeln. Natürlich brauchen gerade diese Geschäfte Unterstützung, um digital anschließen zu können. Doch sprießen dazu Vorschläge wie Pilze aus dem Boden, die ich als Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement nicht unkommentiert lassen kann. Denn nicht alles, was an Digitalisierungsinitiativen und Förderinstrumenten jetzt angepriesen wird, hat dauerhaft Bestand und Erfolg.

 

Dabei gilt ein ganz einfacher Grundsatz: Es macht keinen Sinn, Google mit lokalen Verkaufsplattformen ohne Sichtbarkeit kopieren zu wollen. Plattformen wie Locamo versuchen genau dies. Interessant dabei zu wissen ist: Der Geschäftsführer dieser Plattform bewertet sein eigenes Geschäftsmodell in dieser Hinsicht durchaus realistisch. Den Onlinehändler News gestand Markus Kapler, rein lokale Marktplätze hätten es schwer, eine erfolgskritische Waren- und Informationsvielfalt zu bieten. Kunden seien von der großen Auswahl und schnellen Lieferung der Online-Giganten verwöhnt - auch in Zeiten ohne Lockdown. Ausschließlich lokalorientierte Lösungen könnten da nicht mithalten, bewertet der Locamo-Chef. Seine Plattform ziele deshalb auf Konsumenten, denen Aspekte wie Regionalität, Nachhaltigkeit und Unterstützung des lokalen Handels bei ihrem Online-Kauf wichtig sind. Grundsätzlich ein guter, aber vor allem ein idealistischer Gedanke, der den Einzelhändlern keine Umsätze bringen wird. Letztlich braucht es mehr als eine Plattform, um den lokalen Einzelhandel ins Internet zu bringen.

 

Nehmen wir einen Händler mit einem kleinen Ladengeschäft, der sich auf den Vertrieb hochwertiger Speiseöle spezialisiert hat. Für ihn macht der Vertriebsweg über eine Onlineplattform nur dann Sinn, wenn die Plattform selbst eine hohe Sichtbarkeit in den Suchmaschinen hat, wenn beispielsweise nach „Olivenöl“ gesucht wird. Eine wie auch immer geartete regionale Plattform für den Einzelhandel steht also zwangsläufig immer in Konkurrenz zu Google. Was bedeutet das für die Unterstützung des notleidenden Einzelhandels? Politik und Wirtschaftsförderung sollten auf einen Vielklang aus unterschiedlichen Anreizen setzen. Und werden wir ganz konkret: Die Plattform Locamo hat keinerlei relevante Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen von Google, Bing & Co. Zur Ehrlichkeit gehört: Eine Onlineplattform und ihre Sichtbarkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.

 

Eine aus meiner Sicht gute Initiative zur Förderung der Digitalisierung im stationären Einzelhandel ist die des Handelsverbands Deutschland in Kooperation mit Google, die Einzelhändler ganz praktisch mit Online-Seminaren dafür fit macht, ihre Waren mit eigenen Plattformen sichtbar ins Internet zu bringen. Damit können sie alle digitalen Vertriebswege nutzen. Die städtische Wirtschaftsförderung sollte diese Initiative begleiten. Innenstädte leben von der Präsenz. Deshalb sollten auch in Corona-Zeiten einfallsreiche Einkaufserlebnisse geschaffen werden. Dazu gehören klassische Instrumente wie verkaufsoffene Sonntage und kostenloses Parken, um einen möglichst barrierefreien Zugang zum Einzelhandel zu schaffen. Mit ihrer Forderung nach zwei Stunden freies Parken in den städtischen Parkgaragen an den vier Adventssamstagen ist die CDU-Stadtratsfraktion auf dem richtigen Weg. Schnell wird klar, dass die Digitalisierung allein den Einzelhandel nicht retten wird. Wie im Sortiment kommt es eben auf die richtige Mischung an.

 


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