Kritik an "Dienstleistungsbereich Aumattstraße"

Appell des Vereins Stadtbild zum Aumatt-Projekt - Widerspruch in "öffentlicher Äußerung von BM Uhlig" - "Korsettstangen einziehen, damit lässt sich etwas entwickeln"

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goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Wolfgang Niedermeyer

Baden-Baden, 03.03.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Mit einem schriftlichen «Appell» zum Aumatt-Projekt wandte sich Wolfgang Niedermeyer, Vorsitzender des Vereins Stadtbild Baden-Baden e.V., gestern an die Baden-Badener Gemeinderäte. Er fordert in einem Offenen Brief dazu auf, «den Aufstellungsbeschluss für ein Gewerbegebiet in Oosscheuern gründlich zu überdenken».

Ebenfalls gestern forderte die Wählervereinigung Freie Bürger für Baden-Baden, FBB, in einem Antrag an die Stadtverwaltung, den Aufstellungsbeschluss für den «Dienstleistungsbereich Aumattstraße» wieder aufzuheben. goodnews4.de berichtete.

Im goodnews4.de-O-TON-Interview geht Wolfgang Niedermeyer auch auf widersprüchliche Aussagen von Bürgermeister Alexander Uhlig ein. Leider sei «in der Unterrichtung der Öffentlichkeit von der Verwaltung durch Herrn Uhlig mehrfach geäußert» worden, «dass die Wettbewerbsteilnehmer freie Wahl» gehabt hätten «in der Art der zu planenden Bebauung». Aber die Auslobung habe «das ganz eindeutig und klar beschränkt, sodass man sich auch nicht wundern durfte, dass das Wohnen dort im Wettbewerb keine Rolle mehr gespielt» habe. In seinem offenen Brief an die Stadträte fasst Wolfgang Niedermeyer seine Anmerkungen in fünf Punkten zusammen und bietet an, den Standpunkt des Vereins Stadtbild in den Fraktionssitzungen der im Baden-Badener Gemeinderat vetretenen Parteien und Wählvereinigungen vorzutragen. Wolfgang Niedermeyer hat für das weitere Verfahren eine Empfehlung: «Jetzt ist es an der Zeit, wieder Korsettstangen einzuziehen und damit lässt sich auch etwas entwickeln.»

PDF Offener Brief von Stadtbild Baden-Baden e.V.


Abschrift des goodnews4-O-TON-Interviews mit Wolfgang Niedermeyer:

goodnews4: Bei einen Bauprojekt wie dem geplanten «Dienstleistungszentrum Aumatt» gibt es den Grundstücksinhaber, der möchte natürlich so viel wie möglich bauen, um dann vom Investor dementsprechend mehr Geld zu erhalten. Dann gibt es die Stadt, die eine auch für die Allgemeinheit verträgliche Lösung finden muss und dann gibt es den Verein Stadtbild. In einem offenen Brief an die Stadträte appellieren Sie, das Thema noch einmal gründlich zu überdenken. Was ist denn Ihre Kritik an der derzeitigen Projektplanung?

Wolfgang Niedermeyer: Es gibt ja noch keine endgültige Projektplanung. Wir gehen mal an die Grundlagen des Ganzen zunächst heran und wollen erinnern, dass vor einem Jahr der Bauausschuss einen Beschluss befasst hat über einen Bebauungsplan im «Dienstleistungsbereich Aumattstraße». Das hört sich ja zunächst gut an, denn beschlossen werden sollte, dass im dortigen Bereich ein Bebauungsplan aufgestellt werden soll und damit ja auch erreicht werden soll, dass dort in Ruhe und Ordnung aus der jetzigen heterogenen Bebauung ein Dienstleistungsbereich werden kann, der sich im wahrsten Sinne des Wortes dann auch sehen lassen kann. Dies hört sich zwar gut an, nur wenn man etwas weiter hineinsteigt in diesen Beschluss, dann liest man schon ein oder zwei Seiten später, dass dies mithilfe eines Gewerbegebietes erreicht werden soll. Wenn man weiter in die Unterlagen hineinschaut, dann sieht man, dass dort bisher ein Mischgebiet war. Jetzt können Sie und andere natürlich sagen: Ja, diese spitzfindigen Leute vom Stadtbild hacken da auf irgendwelchen Begriffen herum. So ist es aber nicht. Das ganze Quartier im Aumatt und Oosscheuern ist ein Misch- und Wohngebiet und hat eine Ausnutzung von 1,2. Das heißt auf Deutsch: Sie dürfen also auf ihr Grundstück das 1,2-fache an Volumen der Grundstücksfläche bauen. Wenn nun aber ein Gewerbe daraus wird, dann darf man das 2,4-fache daraufstellen. Da kommen wir ja eigentlich auch zu dem Sinn und Ausdruck Ihrer ersten Frage: Da wird ein Geschäft draus. Und darauf wollen wir noch einmal aufmerksam machen.

goodnews4: Das heißt konkret, Ihnen ist das Volumen, das einem Gewerbegebiet entspricht, also das Bauvolumen, zu hoch?

Wolfgang Niedermeyer: Uns ist es deshalb nicht geheuer dabei, weil ja hier behauptet wird, man müsse da ein Gewerbegebiet daraus entwickeln. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass in der Weststadt im Mischgebiet die Firma Infoscore einen Hochleistungs-Dienstleistungsbereich entwickelt hat und daneben einen Neubau plant und der liegt nunmal im Wohngebiet. Hier gelten in beiden Bereichen die Ausnutzungsziffern von 1,2. Wir wissen und können also auch nachweisen: Es geht in dieser Stadt auch ohne Gewerbegebiet. Und in Oosscheuern, in diesem Quartier, würde ja wie eine Linse mitten in diesem Wohn- und Mischgebietsbereich ein Gewerbegebiet entstehen. Das gibt es in dieser Stadt bisher nicht.

goodnews4: Sie kritisieren auch einen Widerspruch, den Sie bei Äußerungen des Ersten Bürgermeisters Alexander Uhlig sehen. Da geht es eben auch um das Thema Mischgebiet, also Gewerbe- mit Wohnbebauung versus einem reinen Gewerbegebiet. Wie kam es denn zu diesem Widerspruch?

Wolfgang Niedermeyer: Der Widerspruch ergibt sich eigentlich aus der Auslobung des Wettbewerbes. Den Wettbewerbsteilnehmern wurde also klar mitgeteilt, dass dort ein Gewerbegebiet geplant ist und die Baunutzungsverordnung wurde dann auch zitiert. Diese lässt nämlich in Gewerbegebieten nur eingeschränktes wohnen für Betriebsleiter zu und Eigentümer. Das heißt also Wohnungen, die direkt mit dem Betrieb zu tun haben, einzelne Wohnungen. Leider wurde in der Unterrichtung der Öffentlichkeit von der Verwaltung durch Herrn Uhlig mehrfach geäußert, dass die Wettbewerbsteilnehmer freie Wahl hatten in der Art der zu planenden Bebauung, aber die Auslobung hat das ganz eindeutig und klar eingeschränkt, sodass man sich auch nicht wundern durfte, dass das Wohnen dort im Wettbewerb keine Rolle mehr gespielt hat.

goodnews4: Also nochmal zusammengefasst: Was ist Ihre Empfehlung wie dieses Gebiet genutzt werden sollte?

Wolfgang Niedermeyer: Wir können eigentlich nur an den Anfang des Ganzen wieder zurück gehen, ohne dass wir jetzt über schön oder weniger schön oder gelungen oder weniger gelungen, was den Wettbewerb betrifft, uns äußern, sondern wir können darauf verweisen, und wir müssen darauf verweisen, dass in dieser Stadt Dienstleistungsbereiche durchaus in Mischgebieten und sogar in Wohngebieten entwickelt werden konnten und weiterentwickelt werden. Warum muss man in einem gewachsenen Quartier, wie in Oosscheuern, plötzlich ein Gewerbegebiet ausweisen und den Leuten, die dort wohnen, links der Aumattstraße, eine Bebauung mit Maximum 1,2 und rechts mit 2,4 entwickeln. Das passt ja irgendwie nicht so ganz zusammen. Man sieht das ja auch deutlich in dem Bauvolumen, das in den einzelnen Modellen dargestellt war.

goodnews4: Wie verhält sich das denn in einem Mischgebiet, wo Wohnbebauung und auch gewerblich genutzte Bebauung nebeneinander erlaubt sind? Gelten denn da dann für die Wohnbebauung und für die gewerblich genutzte Bebauung die gleichen Volumen?

Wolfgang Niedermeyer: Die Baunutzungsverordnung legt ja Höchstgrenzen fest. Dies sind im Wohngebiet, im BA-Gebiet*, und im M, also im Mischgebiet, beide mit 1,2 festgesetzt. Wenn Sie sich die Weststadt angucken, die Weststadt ist ja so ein Mischgebiet, und die sehen ja dort, was entwickelt wurde, passt zusammen. Da ist auch noch Luft für mehr, aber immer unter der Prämisse, dass die Begrenzung, die Obergrenzen, auch tatsächlich eingehalten werden.

goodnews4: Aber wenn man sich die Weststadt anschaut und das Gebäude von Infoscore und die Häuser, die daneben stehen, dann gibt es da durchaus auch einen erheblichen Unterschied im Volumen.

Wolfgang Niedermeyer: Ja, da haben Sie durchaus Recht. Hier ist eine Dominante entstanden, die sich aber immer noch an diese Obergrenzen hält oder sie nur geringfügig überschreitet. Wenn Sie in den Plan reinschauen für die Erweiterung, dann werden Sie feststellen, dass dort zwar nicht die 1,2, aber immer noch die 1,3 eingehalten wird, also nur eine ganz geringfügige Überschreitung der Höchstgrenze stattgefunden hat, wohingegen bei dem Wettbewerb Dienstleistungsbereich Aumattstraße die Teilnehmer schon bis 1,8 gegangen sind, also 50 Prozent über die Obergrenze des bisherigen Mischgebietes − und das ist ja erst der Anfang.

goodnews4: Was heißt das «das ist erst der Anfang&rauqo;? Was befürchten Sie für die Zukunft?

Wolfgang Niedermeyer: Naja gut, der nächste Schritt wird doch sein, dass die Investoren oder der Investor und Eigentümer einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan in Auftrag geben wird und dass darin sicherlich auch versucht wird, die Obergrenzen möglichst hochzuschrauben.

goodnews4: Wie sollte es denn jetzt weitergehen?

Wolfgang Niedermeyer: Wir sind der festen Überzeugung, deshalb haben wir ja auch diesen Brief an die Stadträte geschrieben, dass der Grundsatzbeschluss in eine falsche Richtung weist, das Gewerbegebiet dort fehl am Platz ist, weil ja beweisbar Dienstleistungsbereiche auch in Mischgebieten mit den bekannten Obergrenzen entwickelt werden können. Und daran sollte man sich auch halten, bisher hat es geklappt, warum sollte es dort nicht auch klappen? Wir raten unseren Stadträten, das nochmal zu überdenken, anzufassen und auf eine Änderung des seinerzeitigen Beschlusses hinzuwirken.

goodnews4: Wäre denn dann auch der städtebauliche Wettbewerb obsolet?

Wolfgang Niedermeyer: Nein, der städtebauliche Wettbewerb hatte ja zunächst mal Vorgaben, da waren Höhen eingetragen, diese Höhen wurden dann zurückgenommen. Die erstaunte Rückfrage eines Teilnehmers, ob den wirklich keine Begrenzungen da sind, wurde mit «ja» beantwortet. Jetzt ist es an der Zeit, wieder Korsettstangen einzuziehen und damit lässt sich aber auch etwas entwickeln.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

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